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Deutsches Künstlerleben in Rom.
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barkeit" unter des Künstlers Hund. Marietta hält sich bewegungslos. Sie hat vollkommen begriffen, was sie darstellen soll und ist ganz bei der Sache. Eine volle Stunde wird sie, ohne auszuruhen, in ihrer festgehal­tenen Stellung verweilen; der Faltenwurf, grade glücklich gelungen, darf nicht preisgegeben werden; sie steht um so fester und beharrlicher, je mehr Sicherheit ihr daS rasche Arbeiten des Malers gibt: alles ist im besten Gange.

Aber Tritte lassen sich abermals aus der Treppe vernehmen, die Thüre wird ohne vorgängiges Klopfen geöffnet, und ehe Marietta noch in das Versteck der Rumpelkammer entschlüpfen kann, steht ein Mann im Zimmer, dessen Farben- und Pinselkasten ihn als einen herumziehenden Lieferanten dieser Un- entbehrlichkeiten, dessen verwunderte und zugleich erbvßte Miene aber ihn als einen unbefriedigten Gläubiger des früheren Inhabers dieses Ateliers legiti- miren. Der Künstler erwiedert seine unverständlichen Nachfragen und Weh­klagen mit der Versicherung, er habe Lust, sich die Haare auszuraufen, und als der Eindringling nicht rasch genug die Zerstörung, welche er anrichtete, begreift, wird er sammt seinem Kasten aus der Werkstatt hinausgeschoben, wobei eS ihm begegnet, daß er die letzten Stufen der Treppe sitzend unter sich wegrutschen fühlt. Marietta zeigt einen gewissen Grad von Entrüstung, daß man sie nicht vor Ueberfällen dieser Art gesichert habe; sie schiebt den einzigen Stuhl, als Ersatz für den abhanden gekommenen Riegel, vor die Thüre, und wird sehr ungeduldig, als der Maler den Faltenwurf immer und immer wieder zu verbessern genöthigt ist. Nach einer weitern halben Stunde ist die Wolke ihres Unmuths von dem Gedanken, daß die Tagszeit bereits stark auf Mezzo Giorno zugeht, aufgesogen. Um diese Zeit aber, zwischen 1-1 und 12, summt von Fremden um alle berühmteren römischen Ateliers, wie um einen Bienen­stock. Niedel öffnet nach -II Uhr seinen Sonnentempel, wo die Eintretenden vergebens nach bunten Scheiben, farbigen FeNstervorsetzern und all den Geheim­mitteln seiner unerreichten Lichlwirkungen spähen. Pollack räumt um dieselbe Zeit Modellgewandüng und sonstiges Handwcrkzeug der Kunst bei Seite, und stellt ganz und halbfertige Bilder in die günstigste, Beleuchtung. Maes legt sich zum unglaublichsten Male die Langeweile auf, seine Magdalena mit Tag- und Nachtlichtbeleuchtung mit französischer Artigkeit, aber holländischer Ver­drießlichkeit vorzuführen. Wagner verbarrikadirt sich gegen seine Bewunderer in der Villa Malta mit dreidoppeltem Thürschloß. Flatz wirft seine Propa­gandanetze für schwankende Protestanten aus, um sie dem Schoße der allein­seligmachenden Kirche wieder zuzuführen. Lehmann" stellt seinen Bedienten auf den Posten, damit er je nach Umständen die Abwesenheit seines Herrn be­dauere oder mit tiefer Verbeugung die Anmeldung der Besucher ül'ernehme. Meister Cornelius endlich flüchtet um diese Zeit unter die Palmen und Aloen

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