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Regierung und Volk von Neapel : 2.: Die letzte Revolution und ihre Folgen.
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Der gänzliche Mangel eines verständigen Landstraßensystems verhinderte in solchen Fällen die Bezüge der Lebensmittel aus solchen Districten, wo ver­hältnißmäßig Neberfluß war. Der Ackerbau ging, wie er eben gehen mochte, auf keine Weise von oben unterstützt.

Auch bei den öffentlichen Arbeiten wurde ein ordnender Ueberblick vermißt. Die Architekten bereicherten sich und der Staat baute mit Sand, wo andere Leute Mörtel verwenden.

Die Schuld lag im Wesentlichen an der mißverstandenen Centralisirung, die man dem napoleonischen System ohne eignes Geschick abgesehen hatte. So vereinigte der einzige Minister deS Innern z. B. die Leitung der öffentlichen Arbeiten, der Handelsangelegenhciten, des Ackerbaus, und dazu noch der Ge­schäfte der Provinzen und Communen.

Mit der zunehmenden Verarmung vermehrte sich die Bettlerzunft in Nea­pels Gassen auf bedenkliche Weise. Man fragte sich, wo bleiben die jährlichen Zinsen im Belauf von 800,000 Ducati von den aufgehäuften Wohlthätigkeits­spenden früherer Zeiten? Und wenn man in den Provinzen der durchlöcherten Hosen und Aermel mehr als billig sah, erinnerte man sich mit nicht minderer Rathlosigkeit der ähnlichen, dort flüssigen Unterstützungsgelder, die z. B. für die Terra di Lavoro allein 700,000 Ducati jährlich betrugen.

Ueber die Verwaltung des großen Neapolitaner Armenhauses, l'Albergo bei Poveri, war früher schon Klage laut geworden. Der Bruder des Ministers Santangelo hatte es bis 18i3 unter seiner Obhut gehabt. Er mußte einer Commission von Achten Platz machen. Um der Wirthschaft im Findelhause der Aununziata zu steuern, bedürfte es der großen Verbreitung, welche Ra- nieriö Schrift l'Orfana fand.

Was die Polizeigewalt betrifft, so war ihr Oberhaupt Del Carretto ^ der verhaßteste Mann des ganzen Reiches; seine Untergebenen ließen für Geld und sonstige Liebesdienste geschehen, was da wollte, und die Unsittlichkcit in diesem Stande erreichte einen um so höheren Grad, als sie zugleich in den Dienst der Spionage trat. Ueber den Nichterstand wird es am besten sein zu schweigen.

Die Religion war weder christlich, noch katholisch; den Namen des Papstes auSzusprechen, galt für ein nicht geringes Wagniß. Aller Unterricht lag in den Händen der Jesuiten. Die Universität hatte fast alle Bedeutung verloren. Jedes Buch über Politik, Religion, Wissenschaft und Moral mußte der zwie­fachen Scheere der Polizei und der Sippe des Journals Scienza und Fede entgangen sein, um in die Hände neapolitanischer Leser zu gelangen, so daß die verderbliche Wirthschaft der Geheimpressen in fortwährender Zunahme war.

In gleicher Weise herrschte die Censur auf der Bühne. Zoten wurden geduldet, ja gern gesehen, aber in der Sphäre höherer Bühnendichtung durfte