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Regierung und Volk in Neapel.
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zu sehen. Ein bis zwei Ducati in solchem Falle heißen ein glimpfliches Ab­kommen, wenn schon gar kein Grund ausfindig zu machen ist, warum eine Visitation von Reisenden, die nur durch die einzige Straße des Näubernestes dnrchzufahrcn wünschen, vorgenommen werden muß.

Bei solchen Veranlassungen lassen die Beamten dem Reisenden jede er­denkliche Freiheit mit dem Namen Birbcmti, Ladri, Malfadori um sich zu werfen, und das Wort Canaglia selbst bringt sie nicht auS ihrem stoischen Humor.

Hat man seinem.Herzen solcher Art Luft gemacht und sich mit dem nie ausgeführten Vorsatz beruhigt, in Neapel diese Spitzbübereien auszudecken, so wartet unmittelbar am Weichbilde dieser Stadt selbst die letzte Begrüßung ähnlichen Charakters, und ein uniformirter Aceisebeamter mit langem Visir- spieß versichert im Angesicht des lockenden Paradieses dem erschreckten Viaggia- tore: Hier sei daö Abladen sämmtlicher Kasten und Koffer eine nicht zu um­gehende Vorschrift des königlich neapolitanischen Gesetzcoder. Der Reisende, im Bewußtsein, manches Opfer gebracht zu haben, um das Vaterland TassoS und Sannazars zu schauen, greift in die Tasche nach den unerwartet zusammen­geschmolzenen Ducatis und kauft sich mit einem vergoldeten oder doch versil­berten Fluche zum letzten Male frei.

Dies alles geschieht nicht verstohlen, nicht nur im Dämmerlicht, dem Begünstiger erzwungener Almosen, nicht nur hin und wieder; sondern keck, am hellen Tage, und als Regel für jeden, der zahlen kann. Die Besoldung der Beamten nimmt gleich auf diese Beisteuern des reisenden Publicums Rück­sicht, und stets wiederholt sich an Neapels Schwelle das Nämliche, was dem Reisenden in Fondi noch als eine in Neapel kaum geahnte Schattenseite des Centralisationssystems galt. Schüttelt man ungläubig den Kopf, wenn der Vetturin seinem Jungen alle Mal verschärftes Augenmerk auf das Gepäck des Hinterwagens empfiehlt, so oft ein Gendarm vorbeireitet, so fängt man bald an, sich in die gewöhnliche neapolitanische Erklärung für die Zunahme von Raubmorden an der Chiaia und dem St. Luciastrande zu finden, wonach eben eine Vermehrung der Gendarmerie vor kurzem bewerkstelligt worden sein muß.

Ein andres Kennzeichen der Bcamtenstellung gewahrt der Fremde, wenn er mit der Briespost in Berührung kommt. Er mag auf den Briefen franco lesen oder nicht, immer wird er Anlaß haben, sich über das Mißverhältniß zwischen dem darauf notirten Porto und Försters Portotare für Neapel den Kopf zu zerbrechen. Wagt er eine schüchterne Bemerkung, so überzeugt er sich bald, daß man in diesem Punkte von keiner Empfindlichkeit weiß. Er wird einige Treppen aufwärts gewiesen, wo er dann das für solche Zwecke nöthig ge­wordene Reclamationsbureau finden oder verfehlen mag. Findet ers, so wird sein Brief nachgewogen; eine Anzahl Müßiger (wir zählten einmal dreizehn),

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