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schaftsgeschichten künstlich erlebte, um sie nachher im Roman darzustellen, so erzählt er es auch von seinen Helden, die doch im Grunde sämmtlich angehende Dichter sind. Man hat bei Goethe häufig die Jndiscretion getadelt, mit der er vergangene Liebesverhältnisse im Roman wiedergab, allein er gab sich doch seinen Empfindungen ganz unbefangen hin, und erst wenn sie vorüber waren, dachte er daran, sie zu poetisiren. Jean Paul dagegen liebt, verehrt, schwärmt und haßt mit bewußter Absicht, aus rein stylistischen Zwecken, und wenn er die Citrone ausgetrückt, so wirft er die Schale weg. Daher trotz des anscheinend überwältigenden Realismus in seinen Dichtungen die innere Unwahrheit und Krankhaftigkeit, daher die entschiedene Abneigung, die Goethe und Schiller gegen seine Art zu sein hegen mußten, wie sehr sie auch sein Talent gelten ließen. — Die Vergötterung, die mit ihm während seines Aufenthalts in Weimar und Berlin 1796 —-1802 getrieben wurde, zeigt augenscheinlich, wie das von Goethe und Schiller vertretene künstlerische Princip sich doch nur in einem sehr beschränkten Kreise Bahn gebrochen hatte, und wie selbst die Masse ihrer Verehrer den tiefern Sinn desselben gar nicht ahnte. — Die verschiedenen Liebesversuche Jean Pauls, bis er sich im 38. Jahre verheirathete, sind mit vielem Humor erzählt und verdienen von den Anhängern der damaligen Gefühlsschwelgerei ausmerksam studirt zu werden; namentlich das Verhältniß zu Charlotte von Kalb, die, nachdem ihr Schiller entgangen war, mit aller Gewalt Jean Paul heirathen wollte. — Die Skizze von dem Leben dieser merkwürdigen Frau im weimarischen Jahrbuch von 18öi haben wir bereits angeführt. Als Ergänzung tragen wir noch nach:
Charlotte von Kalb und ihre Beziehungen zu Schiller und Goethe. Von llr. Ernst Kövke. Berlin, W. Hertz. 18S2. —
Der Verfasser bemüht sich mit vielem Erfolg, in dem Jargon seiner Heldin zu reden, doch hat er nur das Verhältniß zu Schiller bargestellt; die Beziehungen zu Jean Paul scheinen ihm ganz unbekannt geblieben zu sein. —
Hcnriette Hertz. Ihr Leben und ihre Erinnerungen. Herausgegeben von I. Fürst. Berlin, W. Hertz. 18o0. —
ES ist zu bedauern, daß der Verfasser, der die Notizen aus dem Munde seiner berühmten Freundin mit Sorgfalt und Verstand zusammengestellt hat, dieselben nicht aus seinen eignen Erinnerungen ergänzt hat. Die geistreiche Gesellschaft in Berlin seit dem Ende des vorigen Jahrhunderts erwartet noch einen eignen Geschichtschreiber, der vielleicht ein ebenso interessantes Werk liefern kann, als der eigentliche Literaturhistoriker. Es wurde in diesen Kreisen der reichen und gebildeten Jüdinnen zwar viel unreife Gefühlsseligkeit getrieben, aber es entwickelten sich doch daraus auch sehr viele glänzende Erscheinungen, und namentlich für das Verständniß des Uebergangs aus der