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soll. Sie war zwecklos, denn Marat war eben kein individueller Tyrann, sondern nur ein Ausdruck des souveränen Pöbels, und Charlotte hätte außer ihm RobeSpierre, Danton und noch ein Dutzend andere umbringen können, es wäre in der Sache nichts geändert worden. Die That war ferner so unschön als möglich, uud es fehlt ihr alle individuelle Verständlichkeit. Sie ging aus einer fixen Idee hervor, wie bei Sand. Auf der andern Seite kann man sie wieder nicht so scharf verurtheilen, wie man sonst jeden Mord ver- urtheilen muß, denn sie gehörte auch zu den Phänomenen eines in Raserei gerathenen Zeitalters, wo man mit Köpfen spielte, wie sonst mit Kegelkugeln. Der Ausgang verstimmt, aber er ist nicht eigentlich tragisch. — WaS die Behandlung betrifft, so ist sie nicht geeignet, die Uebelstände des Stoffs vergessen zu machen. —
Atalanta Baglioni. Trauerspiel in sünf Acten von Peter Lohmann. Leipzig, Wagner. — Das Stück spielt zu den Zeiten der Borgias und schildert die Familienfchden in Perugia. Dem jungen Dichter möchten wir drei Regeln geben. Erstens er muß sich bestimmt dafür entscheiden, ob er sein Stück in Versen oder in Prosa schreiben will, die Mittclstraße ist unerlaubt. Auch möge er die Ausrufungszeichen, und was damit zusammenhängt, möglichst vermeiden. Zweitens er muß nicht mehr umbringen, als unbedingt nöthig ist. Drittens die Vösewichter müssen nicht immer davon reden, daß sie Böscwichter sind, und so müssen auch die andern Personen weniger über ihre Natur rcflectiren, als auS ihrer Natur heraus handeln. —
Winter.könig. Ein Trauerspiel in fünf Acten von Albert Türcke. Berlin, Wohlgemut!). — Wir haben schon früher von demselben Verfasser ein historisches Drama besprochen. In den einzelnen Scenen finden wir einen nicht unbedeutenden Fortschritt; sie sind zuweilen recht lebhaft und nicht ohne dramatische Kraft durchgeführt. WaS dagegen die Komposition des Ganzen betrifft, so ist sie ebenso formlos, als die des frühern Werks, und es kommt noch der Uebelstand hinzu, daß der Held des Stücks in der Geschichte wie im Drama eine so ganz klägliche Persönlichkeit ist, daß man also beim besten Willen keine Theilnahme für ihn empfinden kann. Der fallende Held wird uns rühren, auch wenn er durch eigne Schuld zu Grunde geht; aber der fallende Schwächling ruft nur Achselzucke» hervor.
Arnold von Selenhosen, Erzbischof von Mainz. Trauerspiel in fünf Aufzügen von Alexander Schnetger. Gotha, Scheube. — In der Wahl des Stoffes (nach einer Monographie von Wegele) hat sich der Verfasser unzweifelhaft vergriffen. Die Streitigkeiten des Bischofs mit seinen Städtern liegen unS in ihren Motiven zu fern, als daß wir uns dafür in- teressiren könnten. Was die Ausführung betrifft, so wird der Verfasser inö- künstige wohlthun, die Charakterzüge nicht allzuscharf zu markiren, denn wenn