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Leipziger Skizzen.
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Leipziger Skizzen.

Leipzig. Skizzen aus der Vergangenheit und Gegenwart. Von Angnst Diezinann, Leipzig, Lorck.

Der Verfasser hat durch seinen vieljährigen Verkehr mit allen Schichten Gesellschaft Gelegenheit genug gehabt, daS leipziger Leben zn beobachten. Er gibt uns eine Reihe recht interessanter Bilder, denen wir auS eigner An­schauung einige Be.nerkuugen hinzufügen wollen. Wir müssen jedoch daran "inner», daß alle solche Schilderungen nur eiuc relative Wahrheit haben können. Nur in den seltensten Fällen hat der Beobachter Gelegenheit, alle Theile der Gesellschaft gleichmäßig zn durchforschen; er ist also geneigt, die Erfahruugeu seines eignen Kreises zu generalisiren. Andrerseits geht ihiü in der Regel bei dem längern Leben in.einer bestimmten Stadt der vergleichende Maßstab verloren nnb er betrachtet als charakteristische Eigenschaft der einzelnen Stadt, waö sich mehr oder minder bei allen Städten von gleichem Umfange vorfinden möchte, namentlich in unsrer Zeit, wo bei der fabelhaften Steigerung der Verkehrsmittel die locale Physiognomie immer mehr verwischt wird. Wie sehr auf deu Standpunkt ankommt, den man bei seiner Beobachtung ein­nimmt, zeigt unter andern daö verschiedene Urtheil, welches man in Dresden und Berlin über Leipzig fällt. Dem dresdner Mittelstand gilt Leipzig alS ein kleines Berlin, der Leipziger erscheint ihm als ein unternehmender, heraus­fordernder und gefährlicher Charakter, an-maßend nnd absprechend, voll der ver­wegensten Entwürfe und Urtheile; der Berliner dagegen ist geneigt, in dem Leipziger einen gutmüthigen, höflichen, aber etwas langweiligen und nüchternen Spießbürger zu sehen. Es ist hier natürlich nnr die Rede von solchen Kreisen, die mehr nach dem Instiucl, als nach dem Verstände urtheilen, und die Eigenthümlichkeil und Vorurthcile geuug bewahrt haben, um sich zu einer fremdartigen, Erscheinung in ein bestimmtes Gemüthsverhältniß zu setzen. Sehr viel thut in solchen Fällen der unmittelbare Eindruck der Sprache. Der Berliner wird zwischen der leipziger und der dresdner Mundart schwer einen Unterschied herauserkcnnen, ihm sälll das Schleppende und Singende darin auf, und doch läßt sich dieser Unterschied bei genauerer Be- Hrcnzl'?teu/lll> 18VK. 11