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Neue historische Schriften.
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hat eine Aussicht weniger. Nicht blos in dem glücklichen Oestreich haben die Zufälligkeiten der Heirat!) und des Erbvertrags eine günstige Entwicklung deS Staats herbeigeführt. Wenn eine solche Wendung der Dinge zwischen Hannover und Preußen herbeigeführt werden könnte, so wäre das die günstigste Wendung, welche die deutschen Geschicke nehmen könnten.

Rußlands Entwicklung bis zum Frieden vom I». März 1856. Von Adolf Bock. Leipzig, Brockhaus. -

Durch den Abschluß des Friedens ist die Aufmerksamkeit des deutschen Publicums von dem russischen Reich, das sie seit zwei Jahren fast ausschließlich beschäftigt hat, wieder abgelenkt worden, und je eifriger man damals danach spürte, was sich gegen dasselbe sagen ließ, zusammenzubringen, um es als Waffe gegen den vermeintlichen Feind der Civilisation zu benutzen, desto sicherer läßt sich voraussehen, daß man nunmehr seine Augen aus einen andern Punkt richten wird. Auf die imponirende gefürchtete Gestalt des Kaiser Ni­kolaus ist ein Fürst gefolgt, dem der Ruf der Milde und Sanftmuth voraus­ging und der das Glück hatte, in seinen ersten Negierungshandlungcn diesen Ruf bethätigen zu können. Wenn man früher nur von einer starken Schwächling des russischen Reichs das Heil Europas erwartete, so ist man jetzt im Gegen­theil geneigt, ans innere Reformen, auf friedliche Verträge seine Hoffnung zu setzen. Es ist gut, sich darau zu erinnern, daß die eigenthümliche Stellung, welche Rußland gegen Deutschland einnahm, keineswegs aus der willkürlichen Eingebung eines einzelnen Fürsten entsprang, sondern in folgerichtiger Ent­wicklung als das Resultat der russischen Geschichte sich herausstellte. In diesen Beziehungen ist nichts geändert worden. Rußland wird seine Grenzen dem Preußischen Verkehr nicht öffnen; es wird nicht aufhören, die Ansprüche Däne­marks, so weit dieselben mit Deutschland collidiren, zu unterstützen, es wird sich durch den angenblicklichen Mißmnth gegen Oestreich nicht verleiten lassen, den Erweiterungsplänen der aufstrebenden Nationalstaaten Preußen und Sardinien ein günstiges Auge zuzuwenden. Dem Namen nach ist der russische Kaiser absolut, in der Wirklichkeit ist er es aber nur, so weit das Grundprincip des russischen Reichs sich in ihm verkörpert. Die Wachsamkeit der deutschen Staaten muß daher die alte sein. Alle Hoffnung einer innern Entwicklung beruht darauf, daß Rußland durch äußere Conjuncturen abgehalten wird, ihr hemmend >n den Weg zu treten. Der Wunsch eines freundlichen Verhältnisses zu den Westmächten ist heute so gerechtfertigt, als vor einem Jahr; denn wenn wir auch nickt im Entferntesten den Wahn hegen, daß diese gegen Deutschland eine wesentlich freundlichere Gesinnung hegen, als 'gegen Rußland, so sind sie uns doch in ihren Formen verwandter, und die Rivalität gegen Rußland kann wenigstens Augenblicke herbeiführen, die eine geschickte Entschlossenheit zu be-