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Das dreiunddreißigste niederrheinische Musikfest in Düsseldorf, den 11., 12. und 13. Mai 1856 : an Dr. Julian Schmidt.
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nicht erwähnen, baß Stockhausen die ArieEs ist genug!" rührend vortrug, denn hier hat der Componist ihm vollständig vorgearbeitet und es ist vielmehr zu rühmen, daß er eher zurückhielt als weiter ging; aber auch die erste Arie: Herr Gott Abrahams!" wurde durch seinen Vortrag zu einem wahrhaft erhebenden innigen Gebete.

Die wahrhaft plastische Kraft in Stockhausens musikalischem Bortrag be­währte sich auch da, wo er nur eine einzelne Situation darzustellen hatte; so namentlich in der Arie:Bacchus ewig jung und schön" im Alerander- sest. Die Art, wie die Lust und Seligkeit des Trinkens in derselben dar­gestellt wird, ist von dem, was wir unS unter bacchisch orgiastischer Schwärmerei im antiken Sinn denken, oder von der Weise, wie sich der ausgelassene Jubel eines Trinkgelags heutzutage äußert, so sehr verschieden, daß es zum rechten Verständniß derselben gewissermaßen einer Interpretation bedarf. Stockhausen wußte die Feierlichkeit und den Pomp mit der unergründlichen Tiefe der Trinklust zu einem so individuell lebendigen Bilde zu verschmelzen, daß man einen der alten kriegserfahrnen Feldherrn Aleranders mit dem Becher in der Hand vor sich zu sehen glaubte. Mit derselben Sicherheit und Schärfe zeichnete er in der Arie des Sene schal aus Johann von Paris den französischen Hosmann; und obgleich die komischen Pointen der Arie recht eigentliche Bühneneffecte sind, so regte er doch durch seinen prägnanten Vor- trag die Imagination so bestimmt an, daß sicherlich, auch wer mit der Situation nicht näher bekannt war, die komische Wirkung ganz voll und rein empfunden hat. Bei Leistungen der Art soll man eigentlich nicht fragen, welche besser sei, denn jede ist an ihrem Ort und in ihrer Art das, was sie sein soll, wobei man gern zugeben kann, daß dem einen dieses, dem andern jenes mehr zusage und gefalle. Ich kann daher auch nicht sagen, daß von Stockhausens Leistungen der Vortrag der Lieder 'daö Höchste sei. Ich will damit gewiß seinen Liedern nicht zu nahe treten, ich habe nur von Jenny Lind etwas Aehnliches gehört und wünsche mir nichts Besseres, allein ich finde, daß seine echt künstlerische Begabung und Bildung sich auch auf diesem Gebiet in derselben Weise kund macht, wie auf anderen. Die knappere, leichter zu übersehende und aufzunehmende Form, die concentrirte Kraft der Empfindung und des Ausdrucks, die freiere Wahl solcher Stücke,, die seiner Stimme beson­ders günstig sind, erklären es wol, daß die Wirkung seiner Liedervorträge eine schlagendere ist; für mich ist es am bewunvernSwerthesten, daß er diese auch hier nur durch rein künstlerische Mittel hervorbringt; jedes seiner Lieder ist ein Ganzes, von bestimmter Färbung, und doch mit einer ebenso freien als feinen Nuancirung des Einzelnen; ein Ausdruck, wie er ihn in die Worte: Unten fängts schon an zu blühen" in Schumanns Frühlings- nacht zu legen weiß, ist allein ein Beweis künstlerischer Meisterschaft.