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vielgenannten Pfarrer Westenneier redigirt, ohne Sang und Klang verblich, obgleich gegen ihn kein administrativer Machtsprnch ergangen war. Ebenso schien eine in Leipzig ausgegebene „Jllustrirte Zeitung für das katholische Deutschland" durch mangelnden Anklang und Absatz zu ihrer Vereinfachnng in „katholische Familienblätter" genöthigt worden zu sein. Und im deutschen Südwesten ist es ein offenknndigeö Geheimniß, daß diejenigen ultramontanen Blätter, welche nicht zugleich und vorzugsweise politische Neuigkeitsblätter, nur durch große Opfer der Partei am Leben erhalten werden.
Es fragt steh nun freilich, ob ähnliche Organe einer freieren Richtung aus protestantischem Gebiete eine bessere Zukunft haben. , Gewissermaßen mag hierher die mit Nenjahr begründete „Feldkirche" (Leipzig) zn rechnen sein, welche, vom Pastor Würkert redigirt, die Absicht ausspricht, Unterhaltung, Belehrung und Erbanuug auö der Natur zu schöpfe». Ihrem publicistischen Charakter nach gehört diese Wochenschrift also jenem eigenthümlichen Genre an, welches gewissermaßen auS zwei verschiedenen Zeitströmungen hervorgegangen ist. Einerseits aus der Liebe zum Naturstudium, andrerseits aus einem gewissen Pessimismus, welcher in der Naturanschauung eine Wiedererweckung seines verlorenen Glaubens an die Gesetzmäßigkeit der menschlichen Zustände sucht. Diese Richtung ist nur eine indirect politische, man könnte sie eine hnmanistisch- publicistische nennen. Immerhin aber muß sie für die allgemeine Cultur und somit auch für die principielle Entwicklung politischer Anschauungen, wenn auch auf Umwegen, von großer Bedeutsamkeit werden können. Unmittelbarer an die Politik, wenn schon gleichfalls aus mehr rationalistisch-theologischen, als publicistischen Boraussctzungen, scheint nun die seit dem zweiten Jahresviertel vom bekannten Or. Nupp begründete „Königsberger Sonntagspost für Religion, öffentliches Leben, Wissenschaft und Kunst" herantreten zu wollen. Ob sie die Möglichkeit eineö Erstarkeus gewinnen kann, hängt jedoch schwerlich blos von dem Anklänge ab, den sie beim Publicum findet. Denn bereits auf ihr Programm hin wurde der Drucker protokollarisch darauf hingewiesen, daß die Zeitschrift werde häusig mit Beschlag belegt weroen, er deshalb vor dem Drucke auf den Inhalt sorgsam achten möge. Und zu dieser Uebertragung einer Art von Censur an den Buchdrucker trat noch die Verwarnung an den vr. Rupp, welcher daö Blatt im Selbstverlag erscheinen, läßt, dasselbe zn debitiren. Dagegen scheint ein in Berlin gleichzeitig >von dem ans der Lindenbummlerzeit genugsam bekannten Erdcmokraten Fried. Will). Aler. Held herausgegebenes „Sonntags- blatt" weit weniger Hindernissen begegnen zu sollen. Bis jetzt hat es sich im Wesentlichen mit der Erläuterung des Wechsels der „politischen Gesinnungen seines Herausgebers" beschäftigt — ein Thema, welches ihm auf die Länge schwerlich einen Ehrenplatz in der periodischen Literatur zu sichern vermag.
(Fortsetzung fvlgt.)