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Adel und Junkerthum.
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ein Haß, der sich auf seinen Sohn nicht fortgeerbt zu haben scheint, wenn man dem bekannten Schriftstück über den Depeschendiebstahl trauen darf.

Die Abneigung gegen den Adel entspringt aus zwei sehr verschiedenen Moti­ven , die man nicht miteinander verwechseln darf. DaS erste ist der dem Men­schen angeborene Neid gegen jede Bevorzugung, in der er keine innere Noth­wendigkeit findet; am meisten gegen eine solche Bevorzugung, die nicht aus­zugleichen ist. Wenn man schon den reicheren Mann beneidet, so kann man sich doch damit trösten, daß man durch Fleiß und Gcschicklichkeit ihm nach­eifern kann. Der Adel dagegen läßt sich nicht erwerben; man kann zwar ge­adelt werden, aber damit erlangt man noch keine Ahnen, die von ihrem Schloß aus die Pfeffersäcke geplündert hätten^ man entbehrt also grade die Hauptsache. Man darf diesen Neid nicht ohne weiteres moralisch verurtheilen, denn er ist natürlich, er ist ein Moment der politischen Entwicklung. Aber man darf sich auch von ihm nicht bestimmen lassen, denn das politische Urtheil soll nicht nach der Leidenschaft, sondern nach der Vernunft gehen. Ein zweites Motiv bezieht sich nicht auf den Adel im Allgemeinen, sondern auf denjenigen Adel, der die übrigen Stände unterdrückt. Dieses Motiv ist nicht blos durchaus gerechtfertigt, sondern es ist auch so mächtig und wirksam, daß man mit der größten Zuversicht voraussagen kann: jeder Adel, der im System der Unter­drückung beharrt, bereitet sich dadurch allmälig selbst den Untergang.

Um in der Adelssrage unbefangen zu urtheilen, muß man vor allem von dem Gedanken ausgehen, daß der Adel eine Thatsache ist. Eine Thatsache läßt sich durch einen Federstrich nicht wegschaffen. Es war von Seiten der preußischen Nationalversammlung ein ungeheurer Irrthum, daß sie glaubte, den Adel durch ein Dccret aufheben zu können. Die Grundlage des Adels ist das sociale Vorurtheil und gegen Vorurtheile kämpft man nicht mit Gesetzen.

Dagegen ist es von Seiten des Bürgerstandes nicht nur vollkommen ge­rechtfertigt, wenn er nach der Abschaffung aller Standesunterschiede strebt, sondern der Adel, wenn man ihm einigermaßen sein Verhältniß zur Gegenwart klar macht, muß ihn darin aufs eifrigste unterstützen. Das Institut des Adels, weil es vorzugsweise auf socialen Vorurtheilen beruht, ist unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen; ja es wird um so mehr gedeihen, je weniger es sich solcher Krücken bedient. Denn nur aus jenen Privilegien entspringt die Abneigung, mit welcher ihn der wohlgesinnte Theil der Nation betrachtet; und wenn diejenige Partei, die sich gern als Vertreterin dcS Adels bezeichnet, eS wirklich dahin bringt, eins nach dem andern jener verrosteten Vorrechte wiederherzustellen, so wird die natürliche Folge eine Reaction sein, deren Tragweite sich gar nicht berechnen läßt. Was der Adel an Titeln der Macht gewinnt, verliert er an wirklicher Macht.