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man bisher austrat. Es klingt gradezu wie Projectmacherei, wenn gesagt wird - und wir dürfen es Ihnen verbürgen, daß davon die Rede gewesen, Sardinien durch Parma zu entschädigen, die Regentin mit Modena zu entschädigen, und den Herzog dieses Ländchens zum Fürst der vereinigten Donau- Provinzen (Moldau, Walachei) zu proclamiren. England und Frankreich legen Nachdruck auf die fortwährenden Unruhen in Parma, die grade m diesem Augenblick wieder zum Belagerungszustande in Parma geführt haben, und suchen Oestreich zu gewinnen. Dieses müßte sich aber eine doppelte Ohrfeige gefallen lassen, auf der einen Wange in Italien und auf der andern in den Donausürstenthümern, wozu es bis zur Stunde keine große Lust zeigt. Diese Macht sühlt sich ohnedies gedemüthigt genug, daß sie auf dem Con- gresse hier nicht die Rolle gespielt hat, welche es für sich träumte und ist keineswegs zu Concessionen dieser Art gelaunt. Der Umstand ferner, daß der Congreß ohne Ernennung einer Commission mit der Lösung der Frage in den Donausürstenthümern nicht fertig werden kann, beweist, daß er schon jetzt darauf gefaßt ist, die Sache fallen'zu lassen und auf eine günstigere Zeit zu verschieben. Er hat sein Augenmerk zunächst aus die Schlichtung des Hauptstreites, der auf Rußland und die Türkei bezüglicher! Fragen gerichtet. Zufrieden geht aus diesem Frieden kaum eine Partei hervor und das ist eben kein gutes Prognostikon für die Dauer desselben. So viel jetzt zu urtheilen ist, hat Europa im Allgemeinen gewonnen und Frankreich an moralischer Gewalt. ES ist für Europa ein Gewinn, daß Rußland im schwarzen Meere paralysirt und im baltischen Meere (wenn auch nur wenig) geschwächt wurde. Es ist sür Europa ein Gewinn, daß die. Donauschiffahrt freigegeben ist. ES ist für Europa ein Gewinn, daß die Schwäche der Türkei noch deutlicher geworden und daß die Reformen, zu welchen der kranke Mann gezwungen ist, nicht in russischer Apotheke gebraut, sondern unter Aufsicht aller Großmächte vor sich gehen werden. Es ist ein Gewinn, daß der Orient, indem er den Kriegsuutcrnehmungen verschlossen wird, sich dem Handel, der Industrie, der Civilisation des Westens öffnet. Aber die einzelnen Mächte haben nicht viel gewonnen. Rußland geht geschwächt und gebeugt aus dem Kampfe hervor und es muß sich mit dem Trost begnügen, daß es, durch das Bewußtsein seiner offenbarten Schwäche naturgemäß zu größerer und angestrengterer Entfaltung seiner Kräfte hingewiesen, in einer gegebenen Zukunft Nutzen aus der theuer bezahlten Lehre schöpfen kann. England ist innerlich aufgerüttelt, äußerlich gedrückt aus dem Kampfe heimgekehrt. Es hat sich nicht als die Macht bewiesen, sür die es gegolten hatte, der Krieg war zu früh sür dasselbe gekommen und hat auch zu früh geendigr. Frankreich hat den internationalen Einfluß wiedergewonnen, um den .es seit dem Sturz des ersten Kaiserreichs gekommen war, aber die Negierung ist nicht fester, nicht populärer geworden und die Lasten, die