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Der Tannhäuser in Berlin.
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und Gutes zu bieten, grade wie so mancher ehrliche Demokrat des Jahres 1848, der eine allgemeine deutsche Republik wollte, aber mit dem verstorbenen Groß­herzog an der Spitze. Das Moment des Illusorischen, fälschlich Idealismus genannt, tritt in der Kunst ebenso bestimmt und unterscheidbar auf, wie in der Politik und Wagners musikalische Declamation hat eine auffallende Wahl­verwandtschaft mit den Declamationen der politischen Idealisten; sie ist ebenso nebelhaft, ebenso träumerisch, als die Vistonen jener Projectenmacher, die aus der krankhaften Uebertreibung unsrer philosophischen Speculation hervorgingen. Die wahre Kunst geht aus dem Können hervor, aus einer von überquellender Realität erfüllten Seele; die falsche Kunst entspringt aus der Reflexion über die Kunst, die nach einer phantastischen Realität sucht, um sie darzustellen, aber statt der leibhaftigen Helena nur ein Schattenbild umarmt. Und da zwischen der Kunst und dem wirklichen Leben eine beständige Wechselwirkung stattfindet, so dürfte es zweckmäßig sein, die Kunst beständig vor jenem Venus­berge, einer vom Leben getrennten Schattcnwelt, zu warnen, welcher die Nerven abspannt, das Blut krankhaft reizt und die Einbildungskraft mit Hirngespinn- sten so übersättigt, daß sie zuletzt in matter, hoffnungsloser Blasirtheit endigt.

Ostpreußische Grenzbilder.

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Den Wandrer, der die ährenwallcnden Ebenen und das wälderrauschcnde Hügelland nördlich vom Pregel nach dem mittleren Laufe der Memel zu durch­streift und seinen Blick auf die Ueberreste des Volksstammes richtet, von dem bald nur eine Sage durch diese Lande ziehen wird, mahnt es an jenes indische Märchen, das einer der Götter selbst seiner Göttin erzählte, und das ein Ver­bannter in der Sprache der Dämonen mit Blut auf Birkenrinde schrieb. Einem Könige sandte er es zu, der die Dichtung in Dämonensprache zurückwies. Da eilt der Verbannte, Gunabhva, mit seinem Birkenbuche in den Wald und ein Feuer anzündend liest er den säuselnden Bäumen, den flatternden Vögeln und den schlüpfenden Rehen das blutgeschriebene Märchen vor und wirst dann Blatt für Blatt in die Flammen. Die Bäume aber senken ihre Zweige lauschend nieder, die Vögel flattern, die Rebe schlüpfen herbei und horchen gelehrig dem entzückenden Märchenmund. Baum säuselt es dem Baum, Vogel singt es dem Vogel, Reh klagt es dem Reh; der Wald und die umherliegenden Lande er­schallen von dem Wundermärchen; auf die Kunde davon eilt der König her­bei, um der Vernichtung eines solchen Werkes Einhalt zu thun, und kommt zu rechter Zeit, um noch das letzte Blatt zu retten.