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Bilder aus der deutschen Vergangenheit : ein preußischer Deserteur.
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ncrn, Weibern und Kindern. Jedes wollte zuerst in dem Teich seyn, aus Furcht vor den Preußen; denn alles glaubte sie schon auf der Haube zu ha­ben. Auch ich war keiner von den letzten, der mitten unter eine Schaar von Weibern hineinsprang. Wo nicht der Fährmann etliche derselben hinaus­geworfen, hätten wir alle ersaufen müssen. Jenseits des Flusses stand eine Panduren-Hauptwache. Meine Begleiter führten mich auf dieselbe zu, und diese rothen Schnurrbärte begegneten mir aufs manierlichste; gaben mir, un­geachtet ich sie und sie mich kein Wort verstuhnden, noch Toback und Brannt­wein, und Geleit bis auf Leutmcritz, .glaub ich, wo ich unter lauter Stock­böhmen übernachtete, und freylich nicht wußte ob ich da mein Haupt sicher zur Ruhe legen konnte aber und dieß war das Beßte von dem Tumult deS TagS noch einen so vertaumelten Kopf hatte, daß dieser Kapitalpunkt mir am allermindestcn betrug. .Morgens daraus (2. Okt.) gieng ich mit einem Transport ins Kaiserliche Hauptlager nach Budin ab. Hier traf ich bey 200. andrer Preußischer Deserteurs au, von denen so zu reden jeder seinen eignen Weg, und sein Tempo in Obacht genommen hatte.

Wir hatten die Erlaubniß, alles im Lager zu besichtigen. Offiziers und Soldaten stuhnden dann bey Haufen um unS her, denen wir mehr erzählen sollten, als unS bekannt war. Etliche indessen wußten Winds genug zu machen, und ihren dießmaligen Wirthen zu schmeicheln, zur Verkleiucrung der Preußen huudert Lügen auszuhecken. Da gab'S denn auch unter den Kaiserlichen man­chen Erzprahler; und d.'r kleinste Zwerge rühmte sich, wer weiß wie manchen langbeinigten Brandenburger auf seiner eignen Flucht in die Flucht ge­schlagen zu haben. Drauf führte man uus zu etwa 30. Maun Gefangener von der Preussischen Cavalerie; ein erbärmlich Specktackel! Da war kaum einer von Wunden und Beuleu leer ausgegangen; etliche überS gauze Gesicht her­untergehauen, andre ins Genick, andre über die Ohren, über die Schultern, die Schenkel u. s. f. Da war alles ein Aechzen und Wehklagen! Wie Priesen unö diese armen Wichte selig, einem «ähnlichen Schicksal so glücklich entronnen zu seyn; und wie dankten wir selber Gott dafür! Wir mußten im Lager über­nachte», und bekamen jeder seinen Duckaten Reisgcld. Dann schickte man uns mit einem Kavallerietransport, es waren unser an die 200., auf ein Böhmisches Dorf, wo wir, nach einem kurzen Schlummer, folgenden Tags auf Prag ab­gingen. Dort vertheilten wir uns und bekamen Pässe, je zu 6. 10. bis 12. hoch, welche einen Weg gierigen; denn wir waren ein wunderseltsames Ge- mengsel von Schweitzern, Schwabe», Sarcn, Bayern, Tyrolern, Welschen, Franzosen, Polacken und Türken. Einen solchen Paß bekamen unser b. zu­sammen bis Negenspurg. " -

So weit Ulrich Bräcker. Er kam glücklich in der Heimath an, aber den schnauzbärtigen Soldaten in seiner Uniform erkannte niemand wieder. Seine