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Bilder aus der deutschen Vergangenheit : Badeleben in alter Zeit.
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Hier in Baden gewährt die Lage des Ortes der Seele keine oder doch nur sehr geringe Ergötzung; alles Andere aber hat so unendlichen Reiz, daß ich mir öfters träumen konnte, Cypria selbst, und was sonst die Welt Schönes in sich fassen mag, sei in diese Wälder zusammengekommen, so sehr hält man hier auf die Gebräuche dieser Göttin, so sehr findest du da ihre Sitten und losen Spiele wieder; und so wenig die guten Leute Heliogabals Nede gelesen haben, so vollkommen scheinen sie doch von Mutter Natur selbst hierin unterrichtet zu sein.

Ungefähr eine Viertelstunde von der Stadt nun^ dicht am Flusse, hat man zum Gebrauche der Bäder einen schönen Hof angelegt, in dessen Mitte sich ein großer Platz befindet, ringsum von prächtigen Gasthäusern umgeben, die eine Menge Menschen fassen können. Jedes Haus hat sein eignes Bad, dessen sich nur diejenigen bedienen, die in demselben wohnen. Die Zahl der öffentlichen und Privatbäder beläuft sich zusammen wohl auf dreißig. Für die niedrigste Classe des Volkes sind zwei besondere, von allen Seiten offene Plätze be­stimmt, wo Männer, Weiber, Jünglinge und unverheirathete Töchter, kurz alles, was vom Volk hier zusammenströmt, zugleich badet. In diesen befin­det sich eine die beiden Geschlechter absondernde Scheidewand, welche jedoch nur Friedfertige abhalten könnte; und lustig ist anzusehen, wie zugleich alte Mütterchen und junge Mädchen nackend vor aller Augen hinabsteigen und ihre Reize den Augen der Männer Preis geben. Mehr als einmal hat mich dies köstliche Schauspiel belustigt, die Spiele der Flora in Rom sind mir dabei eingefallen, und ich habe bei mir selbst die Einfalt dieser guten Leute bewundert, die dabei nicht das mindeste Arge denken oder reden.

Die besondern Bäder in den Gasthöfen sind sehr schön ausgeschmückt und beiden Geschlechtern gemein. Zwar werden dieselben durch ein Getäfel getrennt, aber verschiedene Ablaßfensterchen sind darin angebracht, durch welche man miteinander trinken und sprechen, und sich also gegenseitig nicht blos sehen, sondern auch berühren kann, wie denn das häufig alles ge­schieht. Außerdem sind in der Höhe Gänge angebracht, wo sich Männer zum Sehen und Plaudern einfinden, und wohlverstanden steht jedem frei, in des andern Bad einen Besuch zu machen, zu scherzen und sein Gemüth zu erheitern und beim Eintritt wie beim Aussteigen schöne Frauen entblößt zu schauen. Keine Posten bewachen hier die Zugänge, keine Thür und vor allem keine Furcht vor Unanständigem verschließt sie. In mehren Bädern treten sogar beide Ge­schlechter durch denselben Eingang ins Bad, und nicht selten trägt sichS zu, daß der Mann einer nackten Frau und umgekehrt begegnet. Doch binden die

*) Kaiser Helivgabal versammelte im alten Rom einst alle liederlichen Frauen, redete sie in derselben Weise an. wie der Feldherr snn Heer anzureden Pflegte, indem er sie Kameraden nannte, und hielt mit ihnen eine öffentliche Disputation über die verschiedeneu Arten der Lnste.

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