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raschen Schritt bei, als der Wald lichter würde und wir allmSlig auf einen verhältnismäßig freien Platz heraustraten, wo sich die ainnuthigen Wedel der Palm- bänmc zierlich von dem sternenhellen Himmel abzeichneten. Hier schien unser Leitstern stillzusteheu, nud als wir näher Heransamen, erblickten wir die Alte, die uns im Dorfe aufgesucht haM und die jetzt, um uns zu führen, einen lodernden Brand trug. Sie wiukte uns zu schweigen und ging langsam und mit anscheinender Vorsicht weiter. Nach einigen Minuten erreichten wir, was in dem uugewifscn Sternenlicht wie ein steinernes Gebäude aussah und bald darauf ein zweites und größeres. Ich sah, daß sie halb verfallen waren, denn die Sterne am Horizont schimmerten durch einen offenen Thorweg. Unsre Führcrin ging an ihnen ohne stehen zu bleiben vorüber und brachte uns bis an die Schwelle einer kleinen Hütte aus Rohr, etwas abseits von der Rnine. Die Thüre war offen und wir traten ein; aber für den ersten Augenblick war ich von dem grellen Schimmer, der in jeder Ecke angezündeten Kienfackeln fast geblendet. Auch erschreckte mich ein grimmiges Knurren und die plötzliche Erscheinung eines wilden Thieres zu unsern Füßen. Ich trat mit einem Gefühle der Fnrcht zurück, das sich uicht verminderte, als ich näher hinblickend gewissermaßen als Hüter der Wohnuug grade vor uns einen großen Tiger erblickte, der uns mit seinen Angen grimmig anstierte und den langen Schwanz auf der Erde spielen ließ, als wäre er bereit, auf uus loszuspringen. Er vertrat uns jedoch blos einen Augenblick den Weg. Eine einzige Geberde der Alten trieb ihn in eine Ecke der Hütte, wo er sich ruhig hinstreckte. Ich schaute mich um, aber anßcr einer einfachen indianischen Trommel, die in der Mitte des Fußbodens aus gestampfter Erde stand und einigen an den Wänden aufgestellten Steinen, die als Sitze dienten, war in der Hütte kein Hausrath und keine Ausschmückung zu entdecken. Aber an dem einen Ende saß ans einem ausgebreiteten Tigerfell ein Weib, dessen Gestalt und Benehmen sie sogleich als die wunderbare Sukia oder Zanbcriu zu erkennen gaben, die zu besuchen wir soweit hergekommen waren. Sie war noch jung, gewiß nicht über zwanzig Jahr, schlank und von vollkommenem Ebenmaß nnd trug ein Tigerfell in derselben Weise wie die Alte, welche uns geführt hatte, aber die Bänder um ihre Stirn, um ihre Arme uud ihre Füße waren von Gold. Sie stand bei unsrem Eintreten auf und hieß uus willkommen. Ich hatte erwartet, ein keckes Vorspiegeln des Besitzes übernatürlicher Kräfte zu sehen, unterstützt von Bemühungen, auf die Phantasie der Besuchenden einzuwirken nnd war überrascht zu finden, daß „die Mutter der Tiger" am Ende weiter nichts war, als ein schüchternes indianisches Mädchen. Sie sah uns anfangs unruhig und forschend an; aber als ihre Augen auf Antonio fielen, der an der offenen Thür stehen geblieben war, stieß sie einen Ausruf, iu dem sich Freude und Ucbcrraschung mischten, aus und stand im nächsten Augenblick neben dem Jndianer- jüngling. Sie sahen sich einander schweigend an, dann tauschten sie ein rasches Zeichen und ein einziges Wort miteinander aus, worauf sie sich wegwendete uud Antonio sich iu eine Ecke zurückzog, wo er unbeweglich wie eine Bildsäule stehen blieb nnd jeder Bewegung mit der gespauutestcn Aufmerksamkeit folgte. Kaum hatte die Sukia ihren Platz, wieder eingenomiNen, so preßte sie ihre Stirn in ihre flachen Hände uud sah sinnend aus den Boden vor sich. Nie habe ich ein menschliches