52«
den Fall kommen einzugestehen, daß er nicht im Sinn hat, als Don Quixote einer hinfälligen Race, die mit unserer Civilisation nichts gemein hat, die kostbaren Kräfte zu vergeuden. Rußlands ^Uebermacht eine Schlappe versetzt zu haben ist eine große Aufgabe und man kann sich unter Umständen damit begnügen. Es ist dieses aber nur unter der Bedingung möglich, daß Rußland selbst dem Kriege diese Grenze setzt, das heißt ausrichtig die Unmöglichkeit seines Unterfangens eingestellt. Rußland müßte diesem Geständnisse durch einen Friedeusvcrtrag einen völkerrechtlichen Ausdruck zu geben bereit sein, der im Verhältnisse zu den Opfern wie zu den Siegen des Westens steht.
Geschieht dies nicht, so wird der Krieg eine andere Gestalt, ein anderes Terrain und auch ein anderes Object erhalten. Mit Recht wurde iu diesen Blättern von anderer Seite daraus hingewiesen, daß die Westmächte Deutschland, das sie für sich gewinnen wollen, Territorialvortheile gewähren müssen, soll dieses anders sich mit ganzer Energie dem Kriege gegen Nußland anschließen. Von einer Seite wird sogar behauptet, es wären derartige Anerbietungen gemacht worden und nur die geringen Kricgsersolge, welche die Wcstmächte aufzuweisen gehabt, hätten deren Annahme verhindert. Jetzt, nach einem so glänzenden Siege, werden Frankreich und England wol ebensosehr ihre Ansprüche wie ihre Anerbietungen, um Deutschland zur Mitwirkung zu bewegen, deutlicher formuliren.
Es wird nicht ohne Interesse sein bei dieser Gelegenheit von dem Eindrucke zu sprechen, welchen die Einnahme von Sebastopvl hier hervorgebracht, da dieser Eindruck möglicherweise auch eine Rolle bei den Entschlüssen der Regierungen hüben und drüben spielen könnte. Wir haben von allem Anfange her zu verschiedenen Zeiten die Stimmung Frankreichs zu erörtern versucht und haben gezeigt, wie das Land anfänglich mit Widerstreben in den Krieg sich ziehen ließ und wie mit den wachsenden Schwierigkeiten, welche die Armee zu bekämpfen hatte, die patriotischen Gefühle, immer lauter werdend, die Parteirücksichten und auch die allgemeine Antipathie gegen das herrschende System zum Schweigen brachten. Bei der Künde vom Falle Sebastopols zeigte es sich, welche Fortschritte diese Entwicklung in den Gefühlen seither gemacht. 'Seit dem 2. December 1831 war die erste nationale Regung bemerkbar. Man sah allen Gesichtern die freudige Erregung an und alle Classen der Gesellschaft, alles und jedermann fühlte sich bei dem gegen Nußland geführten Schlage berheiligt. Es war zum ersten Male, daß wir dem Kaiser vom Volke zurufen hörten und es war das erste Mal auch unter der gegenwärtigen Regierung, daß Paris wie die Provinzen ihre übereinstimmende Freude freiwillig an den Tag legten. Die Regierung hat durch diesen Sieg einen Schritt vorwärts gethan und kann in der auswärtigen Frage entschiedener, rücksichtsloser austreten als bisher. Die öffentliche Meinung wird ihr folgen und in dieser Beziehung glauben wir, daß der Eindruck der frohen Botschaft auf Paris und die Provinzen von der europäischen Diplomatie wohl beachtet werden dürste.
Herausgegeben von Gustav ^.xytag und Julian Schmidt.
Als verautwvrtl. Redacteur legitimirt: F. W. Gru n o w. — Verlag von L. F. Hevvig
in Leipzig. Druck von C. E. Elbert in Leipzia.
Mit Ätr. 4<V beginnt diese Zeitschrist ein neues Quartal, welches durch alle Buchhandlungen und Postämter zu beziehen ist. , ^ -',..,'»,.'!
Leipzig, Ende Sept. 185ö. Die Verlagshandlung.