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Reisescenen aus Peru. 1.
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und sein Unternehmen war schon so gut als gescheitert, als er in dem General Castilla einen unerwarteten Bundesgenossen fand. Dieser Castilla war der Amtsvorgänger deS damaligen Präsidenten der Republik, Echenique, und übte anfangs über seinen Nachfolger eine unbedingte Herrschast aus. Schließlich fiel es jedoch Echenique ein, selbst die Zügel der Herrschast zu er­greifen; es kam zwischen ihm und Castilla zum offenen Bruch. Letzterer flüchtete nach dem Süden und errichtete in den reichen Provinzen Cuzco, Puna und Moquegua ein Heer von Insurgenten, welches Bolivia freundnachbarlich mit Geld und Mannschaften unterstützte. Die bewaffnete Macht des neuen Prä- sidentschaftscandidaten nahm den pomphaften Namen Ejercito Libertador (Be­freiungsheer) an und rückte den Negierungstruppen entgegen, die aber, Vor­sicht als den besten Theil der Tapferkeit anerkennend, Ayacucho räumten und sich nach Huanta zurückzogen. Der schließliche Ausgang des Kampfes war, daß Echenique, den seine Soldaten in Stich ließen, nach England entfloh und Castilla den Präsidentensitz einnahm.

Es hatte sich jedoch der Sieg noch nach keiner Seite geneigt, als unser deutscher Landsmann den Ritt nach Ayacucho unternahm und seine Freunde mochten ihn wol mit einigem Bedenken aufbrechen sehen, denn amerikanische Prätendentenheere haben zumal vor dem entscheidenden Siege stets eine mehr oder minder nahe Verwandtschaft mit Räuberbanden und die Negierung weiß in ruhigen Tagen selten die wilden Indianer in Zaum zu halten, geschweige denn in Zeiten der regelmäßig wiederkehrenden Revolutionen. Aber im Ganzen gilt der Haß der Indianer immer mehr den Negierungsbeamten und ein Frem­der, wenn er nicht grade ein Godo (ein Spanier) ist, wird von den revolu­tionären Parteien meistens als Neutraler behandelt. Diese Rücksicht und noch mehr die Sehnsucht, in den Nordamerikanern halbe Landsleute zn begrü­ßen, bestimmten den Deutschen endlich zur Reise. Was er auf derselben er­lebte, erzählt er selbst sehr ausführlich in dem von Julius Fröbel trefflich re- digirten deutschenSan Francisco Journal." Schritt für Schritt können wir ihn nicht begleiten, aber wir wollen versuchen, die interessantesten der von ihm erzählten Erlebnisse zu einer kleinen Skizze zusammenzudrängen, welche einigen Begriff von dem Leben und den Zuständen in jenem von Europäern nicht allzuoft betretenen Striche Südamerikas gibt.

Als der Reisende im heißen Mittagssonnenbrand auf müdem Maulthier die Stadt Ayacucho erreichte, waren die Straßen menschenleer und dichte Gar­dinen verhüllten die Balköne der mit bunten Gemälden geschmückten Häuser, denn alles hielt die vorschriftsmäßige Siesta. Dennoch lockte der selten um diese Tageszeit vernommene Husschlag einige Neugierige an die Thüren, die den Fremden, ehe er sich nur erkundigen konnte, denn schon sein Aeußeres verrieth den Abkömmling des kälteren Nordens, nach dem Corral wiesen, wo