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Geschichte des neunzehnten Jahrhunderts seit den wiener Verträgen.
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ist. Hätte Gervinus neue Actenstücke aufgefunden, deren Mittheilung die Haupt­sache wäre, oder käme es darauf an, in aller Schnelligkeit dem politischen Ur­theil des Publicums eine Richtung zu geben, so wäre eine Improvisation am Ort; ab'er keins von beiden ist der Fall. Ueber die Hauptsachen der Restau- rationszeit steht bei allen Denkenden das Urtheil fest, und für die Geschichte der Engländer und Franzosen in diesem Zeitraume haben wir sogar glänzende Darstellungen. Wir wollen in Betreff des ersten Capitels nur auf Lamartine verweisen, dessen höchst nachlässige Darstellung doch in künstlerischer Beziehung vor Gervinus den Vorzug verdient. Die Aufgabe, die sich Gervinus gestellt hat, ist eine ungeheure; fie ist nicht ganz zu lösen, aber es kann mehr darin geleistet werden, als Gervinus in diesem Bande gethan hat. Wenn das Buch wirklich ein Nationalwerk, ein bleibendes Denkmal unserer Zeit werden soll, so muß Gervinus bei den nächsten Bänden sorgfältiger arbeiten; dann wird das gesammte deutsche Volk ihn auch bei dieser neuen That mit Jubel be­grüßen und unsere Literatur wird um einen bedeutenden Schatz reicher sein.

Neue historische Schriften.

Lübeck unter Jürgen Wullenwever und die europäische Politik von Georg Waitz. Erster Band. Berlin, Weidmannsche Buchhandlung.

Geschichte des Münsterischen Aufruhrs in drei Büchern von C. A. Cor­nelius. Erstes Buch. Die Reformation. Leipzig, T. O. Weigel.

Zwei sehr bedeutende und gehaltreiche Monographien über eine Zeit, deren Wichtigkeit für die deutsche Geschichte gar nicht zu berechnen ist. In seinen allgemeinen Zügen ist das Zeitalter der Reformation von Ranke musterhaft behandelt, aber für die Jndividualisirung der großen Principien, die damals Deutschland bewegten, ist noch sehr viel zu thun, und die beiden vorliegenden Werke können als eine höchst erfreuliche Vorarbeit zu andern Monographien ahnlichen Charakters angesehen werden. Dadurch rechtfertigt sich auch der große Umfang, der einer anscheinenden Specialgeschichte gegeben ist. Jedes der beiden Werke ist auf drei Bände berechnet, das erste sogar auf drei un­gewöhnlich starke Bände. Nun wäre es freilich unstatthaft, eine jede historische Periode mit gleicher Ausführlichkeit zu behandeln, weil sonst die historischen Studien in der Masse des Details verkümmern würden; aber eS gibt gewisse Knotenpunkte in der Geschichte, in denen sich alle Fäden des geistigen und materiellen Lebens auf eine so wunderbare Art verzweigen, daß ein genaues und ausführliches Gemälde derselben für uns in gewissem Sinne die Dar­stellung der gesammten Culturentwicklung vertritt.