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jeder Luftzug, als fürchte er sich vor den brennenden Geschossen, den Athem anhält, sind die Jnseleinwohner lauter Unruhe und Geschäftigkeit, lauter Sorge und Arbeit, um den vielseitigen Bedürfnissen der Badegäste gerecht zu werden; und mancher ehrliche Norderneyer, mancher redliche Seewolf wünscht die Fremdlinge, die alljährlich zur Mittsommerzeit seine Insel überströmen, mit einem kräftigen Fluche in das Land, wo der Pfeffer wächst.
Es ist sonderbar; der Norderneyer selbst hat keinen Glauben an die Heilkraft des Seebades, und es fällt ihm nicht ein, der Gesundheit wegen oder auch nur zur Annehmlichkeit sich in die Flut zu tauchen.
Der Nanm zwischen dem Festland« und der Insel heißt das Watt; eine trübe einförmige Wasserfläche, mäßig bewegt, ohne eigentlichen Wellenschlag. Zur Zeit der Ebbe kann man zu Wagen Hindurchsahren. Gewöhnlich bringt indessen ein Schiff die Badegäste herüber. Wenn das Segelboot oder Dampfschiff sich dem feuchtblitzenden Strande bis auf hundert Schritt genähert hat, nimmt ein Leiterwagen die Passagiere auf. Am Landungsplatze werden die neuen Ankömmlinge von den Badegästen begrüßt und kritistrt; hinter dem Conversationshause verläßt man wohl durchgeschüttelt die Leiterwagen, um sich eine Wohnung auszusuchen.
Das saubere Jnseldorf, aus der Südwestseite des Eilandes gelegen, zählt 206 Wohnhäuser, alle sehr reinlich von rothen Backsteinen auferbaut, die im Innern ziemlich gleichartig und sehr einfach eingerichtet sind. Während der Badezeit ziehen sich die Insulaner in die Küche des Hauses zurück, und ver- miethen die vorderen Räume an Fremde.
Bekanntlich gilt Lichtenberg als der Erfinder des Gedankens, am deutschen Nordseestrande eine Badeanstalt zu begründen. Er war es, der im Jahre 1793 zuerst öffentlich anfragte, weshalb Deutschland noch kein Nordseebad besitze? Dies war gleich nach seiner Rückkehr aus England; der geistreiche Commentator Hogarths hatte dort wohleingerichtete, vielbesuchte Seebäder gefunden und er that durch Schrift und Wort das Seinige, in Deutschland die Begründung ähnlicher Heilanstalten zu veranlassen. Indessen war ein Inselbewohner, der Pastor Janus auf der Insel Juist, der nie in England gewesen und schwerlich jemals davon gehört, daß dort bereits Seebadeanstalten beständen, schon srüher als Lichtenberg für die Begründung eines deutschen Seebades thätig gewesen. Zehn Jahre vor Lichtenberg hatte dieser Geistliche, im Jahre -1782, eine Borstellung an die ostsriesische Provinzialregierung gerichtet, worin er seine praktischen Beobachtungen und Erfahrungen niedergelegt hatte und auf Grund derselben die Einrichtung einer Seebadeanstalt in Vorschlag brachte. Aber der wohlwollende Prediger hatte seinen Antrag zu gründlich mvtivirt. In der Begeisterung sür die Ausführung seines Planes hatte er alles Mögliche zn Gunsten seines Prvjectö angeführt und unter andern auch