Contribution 
Ludwig Tieck in seinen Jugendwerken.
Page
342
Turn right 90°Turn left 90°
  
  
  
  
  
 
Download single image
 

342

Unser Geist ist himmelblau, führet dich in blaue Ferne ;c.", bis endlich Nestor dem Waldhorn den Mund stopft, weil es sich schon im Sternbold laut genug ausgesprochen, dann redet die Quelle, der Bergstrom, der Sturm ic., kurz es ist ein pantheistisches Zittern der ganzen Natur, die sich abquält, Sprache und Gestalt zu gewinnen, da doch diese Gabe eigentlich nur dem Menschen von den Göttern gegeben ist.

Tieck thut sich viel darauf zu gut, daß er die Sprache des Wassers, der Blumen, der Berge und andrer Naturgegenstände nachsingt, die dem prosaischen Gemüth verschlossen bleibt. Allein in die Blumen, Sterne und Wasserfälle aller­lei artige Gedanken zu verlegen, ist für den Dichter nicht schwer, denn sie können ihm nicht widersprechen und will es nicht stimmen, so hat er nur gescherzt. Wenn man allgemeine philosophische Ansichten über dies und jenes aussprechen will, so möge man es in eigner Person thun; der Werth dieser Ansichten wird dadurch nicht erhöht, daß man sie einer Rose oder Heuschrecke in den Mund legt. Viel schwerer ist es, das wirkliche Leben der kleinen Natur sinnig zu belauschen und in individueller Gestaltung wiederzugeben, so daß es anschaulich in unsrer Phantasie aufgeht. Das Auge für das Klein­leben, welches manche unsrer neuern Dichter, z. B. Adalbert Stifter, in hohem Grade ausgebildet haben, fehlt Tieck und den übriger» Romantikern fast gänz­lich. Eine sentimentale Blumcnsprache ist am wenigsten geeignet, uns in das verborgene Wirken der Natur einzuführen. Die Nomantiker bewegen sich nur in Abstraktionen und in allgemein gehaltenen Empfindungen, wo die concrete Natur anfängt, hört ihre Kunst auf. Es ist nicht Liebe zum Leben, nicht der mächtige Trieb, auch das Seelenlose in seiner innern Berechtigung anzuschauen, was sie zur Natur treibt, sondern nur die Flucht vor der Bestimmtheit überhaupt. Die seelenlose Natur erlaubt die Tändelei, aber ein menschliches Herz so zu zeichnen, daß es uns in lebendiger Individualität entgegentritt und uns zum Verständniß zwingt, das erfordert wirkliche Gestaltungskrast und weil diese unsern Romantikern abging, haben sie sich zu Aposteln der Elemente gemacht. Wie ihre Freunde, die Naturphilosophen, haben sie die Gebilde der Natur zu artigen Hieroglyphen ausgeschnitzt. Man hat sich solange damit abgequält, den Sinn derselben zu enträthseln, bis man es endlich merkte, daß man es lediglich mit Arabesken zu thun habe.

Im Garten der Poesie entschlüpft nun der Göttin eine unbedachte Aeuße­rung, durch welche uns unerwartet ein Licht darüber aufgeht, wo wir uns eigentlich befinden, als sich Nestor nämlich darüber wundert, daß er in diesem heiligen Hain keine Raupen sieht:kein Ungeziefer naht dem heiligen Wohn­sitz". Dieser Garren ist uns bereits bekannt: Goethe hat ihn im Triumph der Empfindsamkeit sehr ausführlich geschildert. Es ist eine nachgemachte Natur. Die Blumen sind aus Seidenstoff, der Wald aus Fransen, der Mond-