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Ludwig Tieck in seinen Jugendwerken.
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sie einmal einen enthusiastischen Anlauf nahm, geschah es nur, um sich selbst zu verspotten.

Die Jahre 1797 bis 1804 waren gleichsam die Flegeljahre der Romantik, die dann von der jüngern Generation festgehalten und zu einer ästhetischen Convenienz verarbeitet wurden. In dem ewigen Wechsel der Ideen tritt nur ein leitender Jnstinct hervor: die Ironie gegen die Begriffe und den Glauben des Zeitalters, Es war der alte Kampf der Xenien gegen die Spießbürgerlich­keit, der freilich jetzt Goethe und Schiller selbst unbequem wurde. Halb und halb ohne es zu merken sah sich die Schule auf einmal in geheimer Oppo­sition gegen ihren Meister, und wenn sie auch noch fortfuhr, in Goethe den größten deutschen Dichter zu verehren, so pflanzte sie doch in ihren principiellen Fehden eine selbstständigc Fahne, die Fahne der Nomantik auf.

Die einzelnen Artikel ihrer Journale machen zuweilen den sonderbarsten Eindruck. Die Ironie, die UnVerständlichkeit, die Zwecklosigkeit wurden hier zu einem System ausgearbeitet, man docirte mit großem Ernst, daß der Künstler es niemals mit einer Sache ernst meinen, daß er in seinen Ideen der Masse nie verständlich sein dürfe, daß es sein Beruf sei, absichtslos und ohne Zweck zu leben und zu dichten. Am liebsten erging man sich in Aphorismen, die durch eine pikante Wendung oder durch Paradorien, d. h. davurch, daß man die Worte in einem andern Sinne gebrauchte, als dem gewöhnlichen, aber ohne es zu sagen, zum Theil den trivialsten Inhalt überdeckten. Die frivole Uebcr- bildung des Zeitalters verdrehte in ihrer Mißachtung aller Gesetze und Tra­ditionen den philosophischen Idealismus in eine souveräne Ironie gegen allen sittlichen Inhalt. Die Romantiker waren nur die Chorführer derguten Ge­sellschaft;" hier war allmälig die Aufklärung trivial geworden, sie galt nicht für courfähig. Es wurde vornehm, Sinn zu haben für das, was der bürgerlichen Bildung als Thorheit erschien: bei der Geringschätzung gegen das Denken und Fühle» der Masse, bei der oberflächlichen Bildung nach fremdem Zuschnitt war es gar nicht so auffallend, wenn man auch an der Unmöglichkeit einer übernatürlichen Welt zu zweifeln ansing.

Die romantische Ironie ist mit Recht als das charakteristische Kenn­zeichen der Schule betrachtet worden. Das Bestreben zu denken, zu empfinden und zu schaffen, nur um augenblicklich darauf die Gedanken, die Empfindungen, die Schöpfungen wieber aufzulösen, ist etwas so Seltsames, daß man nur aus einer Mischung von Uebermuth und Zweifel an sich selbst begreifen kann: dem Ucbermuth einer philosophischen und poetischen Bildung, die eigentlich blos formell war, die mit spielender Leichtigkeit die geistigen Beziehungen analysirte und darum glaubte, sie wäre auch wirklich Herr über diese geistigen Mächte; und jenem Zweifel, der aus dem lebhasten Bewußtsein der eignen Unproduc- tivität entsprang. Im Grunde ist die Methode dieser Genialität sehr leicht zu