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Kriegsleiden in Rußland.
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konnten den Wagen nicht von der Stelle bringen; nach und nach wurden 30 vorgespannt, aber auch diese vergeudeten ihre Kraft vergebens. Endlich legte man Ochsen vor und diese setzten den Wagen in Bewegung und auf diese Weise verfolgten sie ihre Reise nach der Krim, um dort die Sterbenden und Verwundeten zu pflegen, im langsamen Gehschritt, weniger als eine Stunde Weges in jeder Stunde Zeit! Und dies war ein Fall dringendster Eile. Wäre es unter solchen Verhältnissen nicht besser und klüger von Nußland, wenn es, anstatt seine Kräfte in Eroberungskriegen zu vergeuden, sie zu ma­teriellen Verbesserungen im Innern des Landes benutzte?

So sehen wir, wie der Krieg langsam aber sicher die nothwendigsten Lebens­säfte des russischen Reiches aufsaugt, den Wohlstand des Landes vernichtet, die Bevölkerung decimirt und einen Zustand stiller Abzehrung vorbereitet, der ihm den Frieden nothwendig macht. Auch hier wird wieder die Zukunft die Wahrheit des Erfahrungssatzes zeigen, daß Rußland keinen langen Krieg füh­ren kann.

Vom modernen Festungsbau und Belagernngskrieg.

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'Ich komme schließlich zur Besprechung der Operationen des eigentlichen Belagerungskrieges oder zum gedeckten, förmlichen Angriff. Früher wurde be­reits erörtert, wie demselben die Einschließung des Platzes oder mindestens doch die Besetzung der Hauptverbindungslinien, mittelst welcher derselbe nach außen hin verkehrt, vorangehen müsse; denn allein diese Maßregel vermag, wie gesagt, den Belagerer in die vortheilhafte Lage zu versetzen, Kräfte und Mittel zu bekämpfen, die sich nicht nur nicht zu vermehren im Stande sind, sondern im Gegentheil mit jedem Tage an Umfang wie an Fähigkeit zum Widerstande nothwendig abnehmen werden.

Die erste Maßregel, welche der gegen eine Festung zu führende förmliche Angriff erheischt, ist mithin die Absendung eines ihrem Umfange, der Stärke ihrer Besatzung und den Terrainverhältnissen entsprechenden Einschließungscorps. Die Größe desselben ist von Theoretikern in verschiedener Weise, theils auf Grundlage der Abmessungen des Platzes, theils im Verhältniß zu dessen Garnison berechnet worden. Von solchen Gesichtspunkten ausgehend ist man zu dem Resultat gekommen, daß dem Belagerungsheer die vier- bis sechsfache Stärke des einzuschließenden Feindes gegeben werden müsse, wogegen wir in der Praxis den Angreifer im Festungskriege selten mehr wie doppelt der Ver­theidigung überlegen finden. In Hinsicht auf das Masfenverhältniß versteht

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