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nach adlig konnten diese Schreiber doch weiter nichts als Lesen und Schreiben. Da sie nur einen kärglichen Gehalt erhielten, nahmen sie wegen der Aussicht auf Avancement das Anerbieten mit Freuden an; aber sie verhehlten ihre Besorgnisse nicht, daß sie nicht im Stande sein würden, das erforderliche Eramen zu bestehen. Der Oberst beruhigte sie jedoch und sagte, erwerbe sie selbst prüfen. Dies geschah auf folgende Weise. Oberst: „Was ist Geographie?" Antwort: „Das weiß ich nicht, ich habe nie davon gehört." Oberst: „Unsinn, du mußt es wissen! Auf welchem User welchen großen Flusses liegt die Stadt E. (die Stadt, in der sie sich befanden)?" Antwort: „Auf dem rechten Ufer des Flusses D." Oberst: „Na, ich wußte doch, daß du in der Geographie fest wärest, das genügt." Ein ander Mal war der Gegenstand der Prüfung die Mathematik. Oberst: „Was ist Mathematik?" Antwort: „Habe ich in meinem Leben nicht gesehen." Oberst: „Addire zwei und zwei." Antwort: „Macht vier." Oberst: „So, das genügt, du hast den Eramen bestanden." Natürlich war ich bei diesen Prüfungen nicht gegenwärtig, aber mein Bericht darüber stammt aus der zuverlässigsten Quelle.
Die Offiziere der Miliz sind meistens pensionirte Offiziere der stehenden Armee; aber wenn in einem Gouvernement diese Classe nicht zahlreich genug vorhanden ist, so wählt der Adel die Fehlenden aus seiner Mitte. Im Allgemeinen herrscht große Abneigung gegen den Milizdienst, wie gegen den Kriegsdienst überhaupt, denn die Mehrheit des russischen Volkes ist trotz seiner vielgerühmten Tapferkeit nichts weniger als kriegslustig.
Der Mangel an guten Aerzten wird gegenwärtig in der Armee sehr stark gefühlt. Von allen Universitäten werden bloße Studenten zum Eintritt genöthigt, ehe sie ihren medicinischen Cursus vollendet haben, der eigentlich fünf Jahre dauert, jetzt aber aus 3V2 abgekürzt ist. Neuerdings sind viele Aerzte aus Amerika und Preußen eingetroffen, die sofort nach dem Kriegsschauplatze abgeschickt werden. In Simpheropol hatten fast alle englischen Verwundeten amerikanische Aerzte.
Wie schwer es in Nußland hält, Armeen zu transportiren, läßt sich schon an der Reise sehen, welche die barmherzigen Schwestern voriges Jahr von Petersburg nach der Krim machten. Sie verließen die Hauptstadt gegen Mitte November und reisten ohne besondere Beschwerden, solange die Chaussee dauerte; aber von Kursk/ wo die Chaussee aufhört, bis Charkow hatten sie schon viel auszustehen, da sie in großen schweren Diligencen, gleich den französischen, fuhren. Aber die ganzen Freuden einer russischen Herbstreise.fingen hinter letzterer Stadt an. Die Schwestern verließen Charkow mit 13 Pferden vor jedem Wagen und erreichten glücklich die erste in einem Thale gelegene Station ungefähr 14 Werst von der Stadt; aber als sie den Berg hinaufzufahren versuchten, blieben die Räder im Schlamm stecken und die IS Pferde