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dem nichts Anderes zu erzählen weiß, kommt davon her, daß sie selbst nichts weiter sind als Dilettanten. Allen Respect vor der geistigen Arbeit des Gelehrten und des Künstlers, des Staatsmannes und des Philosophen, aber von dieser geistigen Arbeit hat der literarische Handlanger keinen Begriff. Der Geschäftsbetrieb des Markthelfers, des Aufläders bis in seine tiefsten Schichten herunter hat immer noch wenigstens einen gewissen realen Inhalt, der Geschäftsbetrieb des sogenannten Literaten dagegen ist darum so unerquicklich, weil er angeblich mit idealen Gegenständen zu thun hat, während er doch in der That an die gemeinsten Interessen verkauft ist. So hat z. B. ein großer Buchhändler einen ausgebreiteten Verlag, er disponirt über eine Masse von Zeitschriften. Um diese zu versorgen, hat er eine Masse Literaten in seinem Dienst, die er je nach ihren Fähigkeiten benutzt; der eine muß eine kleine Novelle schreiben, um diese oder jene Illustration zu erklären und bei dieser Gelegenheit das eine oder das andere Verlagswerk des Brotherrn dem Publicum zu empfehlen, der andere thut dasselbe bei Gelegenheit eines politischen Artikels, der dritte zieht das Nämliche in einem Sammelwerk zusammen u. s. w. Auch das ist ja an sich ein ganz currenter Geschäftsverkehr, und wenn man die Arbeit der Hand, welche die Feder führt, in Rechnung bringen will, so kann man auch dergleichen wol Arbeit nennen; allein es ist eine Arbeit, die durch einen falschen Idealismus täuscht, und die daher nothwendig zur Unwahrheit führt.
Daß man im Volk allmälig dahinterkommt, wie schal und hohl einHolches Treiben ist, zeigt unter andern der große Erfolg der Dorfgeschichten. Man dankte Gott, daß es in Deutschland noch Leute gab, die nicht blos über Schiller und Goethe, über Völkerglück und Seelenfrieden debattirten, sondern die eine bestimmte, saßbare Beschäftigung trieben. Wenn man sich die Mühe geben wollte, sich genauer umzusehen, so würde man finden, daß es gar nicht nöthig ist, in den Schwarzwald zu pilgern, um Menschen anzutreffen, die noch eine andere concrete Beschäftigung haben, als das Ausgeben von Ansichten und Meinungen. Freilich erfordert es Mühe, diese kennen zu lernen, so kennen zu lernen, daß man sie schildern kann, und man muß einen Augenblick aus der bequemen Gewohnheit der Conversation heraustreten.
In vielen Fällen darf man mit den einzelnen dieser kleinen Schriftsteller nicht so genau rechten, denn sie haben Weib und Kind, sie wollen leben, und jeder treibt das Handwerk, das er versteht. Alfred Meißner ist nun in der günstigen Lage, ganz unabhängig dazustehen. Er hat ein schönes Talent, die Dinge zu sehen und darzustellen. Wenn er sich also die Mühe geben wollte, das Leben wirklich, nicht blos aus Zeitungen und Journalen, nicht blos aus dem Geschwätz der Salons und den Unterhaltungen der Camaraderie zu studiren, so würde er gewiß im Stande sein, werthvolle und bleibende