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Dinge richtet, wohl der Schule, wenn sie sogenannte „wissenschaftliche" Schülervereine hegt und fördert! Der arme Realschüler dagegen wird zu solcher Sprudelköpsigkeit weniger verleitet, er fragt leicht bei allem was er thut, eui dono? Eine frühe Entnüchterung seiner jugendlichen Seele kann leicht den Grund eines kalten Egoismus und trocknen Materialismus, welcher freilich noch immer weniger gefährlich ist als der leidenschaftliche einer verdorbenen Gelchrtenschule, legen, und während er in alle Sphären zugleich eingeführt wird, bleibt sein Geist oft klein und eng, weil jener Zuwachs nur an ihn heran geklebt, nicht aus ihm heraus aufgebaut worden ist. Wenn ein talentvoller Gelehrtenschüler Vielseitigkeit, Besonnenheit und Bescheidenheit und ein ebenso begabter Realschüler jugendlichen Schwung und Selbstkraft in der Totalität seines geistigen Strebens bewahrt, so haben sie gewiß beide das Schwerste auf ihrem Bildungsgange erreicht.
Betrachten wir nun die einzelnen Bildungsmittel, so stellen sich, abgesehen von denen, welche beiden Richtungen in demselben Grade gemeinschaftlich sind (Deutsch, Geschichte, Religion), zwei Hauptunterschiede herauö: 1) in dem Verhältniß des Sprachunterrichts zu dem mathematisch-naturwissenschaftlichen, der Unterordnung des einen unter den andern oder ihrem Gleichgewichte. — 2) in der Art des Sprachunterrichts und der Art des mathematisch-naturwissenschaftlichen an und für sich. Fangen wir mit dem zweiten Punkt zuerst an.
Wie wird der Sprachunterricht auf Gelehrtenschulen getrieben? Wir antworten: durchweg noch immer zu künstlich. Zwar ist die Periode vorüber, wo, wie in meiner eignen Schulzeit, die statarische Leetüre der Classiker den Kernpunkt des Unterrichts bildete, ein stehender Sumpf, dessen Wasser wir vor lauter Citatcnschlingpflanzen und grammatischen Binsen, in welchen wir die Knoten suchen sollten, nicht zu sehn bekamen. Wahrlich, hätten wir die Lust an den alten Autoren nicht mitgebracht, auf der Schule hätten wir sie nicht bekommen: ja, wir würden die mitgebrachte verloren haben, wenn wir uns nicht auS dem Wust von Citaten aus Matthias Griechischer Grammatik, HandS Tursellinus, Hermanns Viger, in das heitere Element der cnrsorischen Privat- lectüre geworfen hätten, wo uns einiges von der Großheit und Schönheit eines Homer, Sophokles, Aristophanes aufzudämmern begann. Aber noch immer hat man-nicht genug eingesehn, daß es ja nicht auf ein wissenschaftlich-philologisches, sondern nur aus ein humanes Verständniß der Alten ankommt, nicht genug, daß das Grammatische nur als Stein des Anstoßes nicht als Wegeöziel zu betrachten ist. Mit einem Wort: wenn man das Interesse der Schüler nicht für den Inhalt des Gelesenen zu beleben und daran festzuhalten versteht, so wird man zwar einzelne Philologen, aber wenige Liebhaber des classischen Alterthums bilden. Es war unter den jungen Schulmännern eines norddeutschen