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Correspondenzen.
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Korrespondenzen.

Aus Konstantinopel^ 21. Juni. Man macht sich auswärts schwerlich eine klare Vorstellung von den enormen Schwierigkeiten, welche es hat, aus dem Wust und Wirrwarr hiesiger Tagcsgcrüchte das, Wahre von dem Falschen zu sondern und mitten aus dem Kreise der Erdichtungen die Thatsachen hcrauszuhebeu. Am gestrigen Tage hatte dieses Treiben seinen Hühenpunkt erreicht. Nicht als ob sich vielfache Gelegenheit gesunden hätte, Nachrichten ans der Krim zu bekommen: im Gegen­theil war nur der englische Stcamer Miranda (die Miranda kam erst gestern, vor­gestern kamen Descartcs und Mogador) am Abend zuvor aus Kamiesch hier ein- Passirt, aber man wnßte im voraus, daß am 18. ein Kampf von größeren Dimen­sionen vorgefallen sei uud die Neuigkeitenverfertiger benutzten die Gelegenheit, um ihre Worte an den Mann zu bringen. Schon am 18. Abends selbst lief das Ge­rücht um und wurde seltsamerweise von vielen für wahr gehalten, daß die verbündete Dampfflotte in den äußeren Hafen von Sebastopol eingelaufen sei; man war sich nicht bewußt, wie ein solches Eindringen in Anbetracht der russischen unterseeischen Sperrung habe bewirkt werden können, aber man nahm dessenungeachtet die Nachricht als ein Factum. Dasselbe erhielt sich den ganzen nächsten Tag im Ansehen und wurde erst durch die von dem obenerwähnten Schiff Miranda überbrachten positiven Berichte desavouirt. Es ist überraschend, daß Franzosen hier am vergangenen Dienstag die Wegnahme des Malakowthurms als eine Thatsache ansahen. In derselben Weise wollte man noch gestern wissen, General BoSquet habe 23000 Russen zu Ge­fangenen gemacht. Dem gegenüber treten nun hcnte die Mittheilungen, welche beide hier erscheinende Zeitungen bringen. Darnach begann der Kampf am 18. früh Morgens um vier Uhr. Die Russen machten zu derselbe» Zeit einen Ausfall aus ihren Linien, wo die Verbündeten hinter dem Mamelon und aus deu ihm vor- gelegencu Batterien hervorbrachen. Im raschen, heftigen Aufeinanderstoßen wurden die Russen geworfen. Den nächsten Moment scheinen die Franzosen gcuützt zu haben, um den Malakowthnrm zu bestürmen. Man bediente sich dazu der langen Leitern, die von dcn in Balaklava stehenden Engländern im vergangenen Winter angefertigt worden waren. Leider erwiesen sie sich als zu kurz und wurden damit der Anlaß zum Mißlingen des Erstcigungsversuchs. Inzwischen hatten, wenn ich recht unterrichtet bin, mehre Colouuen Engländer die Batterien des Redan erreicht, waren darin eingedrungen und hatten die russische» Kanoniere neben ihren Ge­schützen mit dem Bajonett niedergestoßen. Eine Masse von dreitausend Mann briti­scher Infanterie draug zugleich mit Ungestüm in das Innere der Schiffer- und Tartarcnstadt ein und hatte hier das Glück, sich des Arsenals, welches man, wenn ich nicht irre, als ein großes Neduit der russischen Südostbcfestigungcu ansehen kaun, zu bemächtigen. Die Nachrichten, welche die Miranda mitbrachte, reichen nicht weit über diesen Zeitpunkt hinaus. Bei ihrem Abgang standen die Dinge so, daß das Arsenal noch im Besitz der Alliirten war. General Pelissicr wollte augenscheinlich diesen Puukt, koste es was eS wolle, halten und disponirte soeben Rescrvcmassen in.die be­treffende Directivn. (Bekanntlich ist der Stnrm doch noch abgeschlagen worden. D. R.)

Die kleine Gasse, welche sich an der Maner von Galata zwischen diesem Stadt­theil und dem Meere hinzieht, bot gestern einen seltsam belebten Anblick dar. Vor