Jahrgang 
1: 1902
Entstehung
Seite
10
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so Klfred Funke: Zahl und Stellung der Deutschen in Ria Grande da 5uil.

Serraner, aller geordneten Nrbeit abgeneigt, ohne Einteilung seiner Mittel in ewiger Nrmut, die teils seiner Nedürfnislosigkeit aber auch seiner Trägheit entspringt, ohne Lreue und «Zuverlässigkeit in Händel und Wandel, dabei sehr oft der Sprößling aus Neger- und Sndianerblut, im Kon- kubinat aller sinnlichen Ausschweifung hingegeben, konnte uninöglich dein deutschen Nauern nach­ahmenswert erscheinen. Der brasilische Neanlte aber, welcher seine Stellung ilur als Gelegenheit zu bequemem Leben auffaßte, sehr oft der Neflechung oder ähnlichen Einflüssen zugänglich war, niemals seinen pflichten ehrlich und pünktlich nachkam, forderte notwendig zu einem vergleiche mit seinen deutschen Nintsaenosscn heraus. Diese «Zusammenstellung aber mußte den deutschen Kolonisten qeradezu zu einer Verachtung der gebildeten Nrafilier führen. Dazu kamen viele persönliche Er- fahrunaen im Verkehr mit den Nehörden und besonders der Rechtspflege, aus denen der Kolonist ge­schädigt und gewitzigt hervorging. Die Wahrnehmung aber, daß auch die wohlhabenden Nrasilier durch ungeordnete Wirtschaft unaufhaltsam zurückgingen, die weitere Tatsache, daß verarmte Ver­wandte mit größter Unempfindlichkeit andern zur Last fallen und oft deren beschränkte Habe vollends mit verzehren, konnte den stets sparsameil und sehr haushälterischen Nauern erst recht nicht zur Sympathie mit den Eingebornen verleiten. Einzelne Heiraten zwischen Deutschen und Nrasilierinnen waren durch die fehlende häusliche Erziehung und die Nrbeitsunlust der Frauen voil schnellem Niedergang des Wohlstands begleitet, sodaß heute noch eine solche Ehe zu den Selten­heiten gehört. Nein praktische Erwägungen lassen den jungen Deutschen immer wieder ein deut­sches Mädchen wählen. Dazu kommt noch der sehr gewichtige Umstand, daß der Deutsche sich inmitten vieler Landsleute am leichtesten einlebt und wohlfühlt. wo dieser Zusammenhang ge­lockert ist, da verliert auch der Deutsche viel leichter seine Sprache und Sitte. Sn den Städten, wo das brasilische Element vorherrscht, gibt es viel eher Deutsche, welche im täglicheil Verkehr mit Lusobrasiliern deren Sprache so oft gebrauchen, daß sie dieselbe gern sprechen und damit unbewußt auch viele brasilische Gewohnheiten und Vnschauungen annehmen. Kommt noch hinzu, daß ein solcher Deutscher eine Nrasilierin heiratet, so kann man oft das beschämende Schauspiel erleben, daß in deutschem Hause nur portugiesisch gesprochen wird. Nesonders in der Stadt Nio Grande ist diese Erscheinung nicht selten zu finden.

Dieser Gefahr arbeitet mit vielem Erfolge das Nestreben der deutschen Schulvereine ent­

gegen, welche sich die Erhaltung des Nachwuchses in deutscher Sprache und Sitte zum Ziele ge­setzt haben. Nach der Tätigkeit der Geistlichkeit beider Nekenntnisse, soweit sie in deutscher Sprache amtiert, ist eine wesentliche Stärkung des deutschen Charakters zuzuschreiben. Eine sehr wesentliche Neihilfe zur Erhaltung des deutschen Newußtscins liegt aber in der tatkräftigeil Unterstützung der deutschen Schulvereine, und ist der deutscheil Negierung wirklich an dem Deutschtum der Niogran- denser gelegen, so kann sie dieses nicht wesentlicher und besser stärken als durch finanzielle Nei- hilfe zur Errichtung und Erhaltung deutscher Schulen. Die Jesuiten haben längst erkannt, daß die Zukunft des Deutschtums voil der Schulung des Nachwuchses abhängt, und haben mit

Nufwendung vieler Mittel und Kräste vorzügliche Schulen in S. Leopolde, S. Truz, Pelotas und Nio Grailde errichtet, denen gegenüber die deutschen Schulen, aus den beschränkten Mitteln der

Schulgemeindcn ohne staatliche Unterstützung erhalten, einen sehr schwereil Stand haben, von der brasilischeil Negierung ist bei der Nichtung ihrer Nrbeit keine Unterstützung deutscher Schulen zu erwarten. Daß das Pesnitenkolleg zu Leopolde trotz entgegenstehender Nestimmungen der

Staatsverfassung die Nerechtigung erhalten hat, seinen Zöglingen nach bestandener Vbgangsprüfung die Rechte zum Nesuch der Vkademien in Nio, S. Paulo, Nahia, Pernambuco und Porto Nlegre, zum Eintritt in die Laufbahn der höher,l Neamten und Offiziere und ähnliche Stellungen zu ver­leihen, welche sonst nur durch Vblegung der Prüfung vor der Staatskommission erworben werden können, hat den Zufluß deutscher Schüler nach S. Leopolde bedeutend erhöht zum Schaden andrer deutschen Schulen.

wenn die gegenwärtige Negierung auch im stillen den Deutschen nicht so hold sein mag, wie sie es gerechterweise sein müßte, so ist sie doch weit davon entfernt, den hohen kulturellen Wert des deutschen Elements im Staat zu verkennen. Den politischen Einfluß, welchen die Deutschen im Hinblick auf ihre Zahl unbedingt haben müßten, hat die Negierung zwar bis heute durch die sattsam bekannten Wahlkniffe ihnen vorzuenthalten gewußt. Nußerdem aber hat der Durch-