Jahrgang 
1914
Seite
130
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durch den feigen Mord, dein du die Flatterzier deiner sonst wohl unvollständigen Stirn verdankst. Auch darüber beruhige dich: Der Blutgeruch, der an dein Gelde klebte, ist schon wieder abgegriffen worden. Der Mörder gab die Münze weiter; denn der Gewinn, den er aus dern Vogelmord zog, reizte ihn zu höherer Lebensführung: er wurde ein Käufer für Whisky und Tabak. So stieg in deutschen Kolonien infolge der Vogelausfuhr auch die Wareneinfuhr. Und in Deutschland dürfen Federarbeiterinnen die Freude genießen, in Fabriken zu sitzen und zwischen unzähligen Federn des Schlacht­geflügels auch die letzten j)aradiesvögel auf Damen- und Dirnenhüte zu binden. So karn durch den Vogelmord deutsches Wirtschaftsleben zur Blüte.

Der Zusammenhang ist furchtbar: die ferne Urwaldinsel im einsamen Meere, wo seit Jahrtausenden buntes Leben den Schöpfer pries, mußte still werden, weil sie deutschesSchutzgebiet" wurde. Denn das Volk der Dichter und Denker darf keinen Vogel leben lassen, dessen Leichnam Geldeswert hat. Es geht einfach nicht: aus wirtschaftlichen Erwägungen.

Während die Natur mit Nacht und Verwesung den Mord ver­gessen macht und mit ihren Tränen die Blutflecken von den Blättern des Urwaldes wäscht, wallen die gelben Federn von den Köpfen deutscher Frauen; starren spitze Schnäbel, die einst Nester bauten und hungrigen Zungen Nahrung suchten, auf die Brüste deutscher Mütter hinab. Wenn die Natur eine Rächerin wäre, wenn sie fähig wäre, dem Schmerze, der die Schöpfung durchzittert, Waffen zu leihen, so müßten die Schnäbel sich, von neuem Leben bewegt, von den Hüten herab den gedankenarmen Modedamen in die Augen bohren. Sie tun das nicht; denn die Natur ist hilflos, wenn das Herz des Menschen versagt.

Indianerhäuptlinge und wilde Negerstämme trugen von jeher auf ihren Köpfen die Federn wilder Vögel, die ihre Weidmannskunst mit einfachen Waffen aus einer reichen Natur erbeutete. Im Mittel­alter zierten Straußenfedern den Helm des Ritters, den Hut des Rats­herrn. Es waren seltene und deshalb kostbare Federn. Die Ursache der Seltenheit war aber eine andere als heute. Wenn heute Reiher, j)aradiesvögel und Marabu selten wurden, so wurden sie es, weil ihre völlige Ausrottung nicht in einigen, sondern in allen Teilen der Erde bevorsteht; in früheren Zeiten waren solche Federn wertvoll, weil sie aus einem unerschlossenen, dem Handel fast unzugänglichen Erd-