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Brasilien. Bevölkerung.
Eine unter dem Waldläufer Marcellino Martinho nachgesandte Strafexpedition faßte die Räuber nach langen Streifzügen im Walde ab und brachte zwei Weiber und acht Kinder, nämlich sieben Corvados und drei Botokuden als Gefangene zurück (Abb. 7). Etwa ein Jahr früher waren zwei Frauen und zwölf Kinder der Corvados zwangsweise zur Kultur geführt worden.
Die armen Geschöpfe, diese Opfer der Kultur, mag man bemitleiden, auch wenn sie in Blumenau noch so sorgfältig gepflegt werden. Aber hier besteht ein latenter Kriegszustand, der die Fortschritte europäischer Kultur ernstlich schädigt, die Kolonisation erschwert und zeitweise den Hochlandsverkehr unterbindet oder ihn auf andere Straßen, nach Lages-Florianopolis, ableitet. Es muß deshalb geradezu als ein Hohn auf die Kolonisationsbestrebungen des Bundespräsidenten betrachtet werden, wenn in Florianopolis kürzlich eine „patriotische Liga“ zum Schutze der Buger gebildet wurde! Als Zweck der Liga wird angegeben, die Indianer zu schützen und zum Christentum zu bekehren. Die Regierung soll um ihre Unterstützung angegangen und die öffentliche Meinung soll durch die Presse, durch Vorträge und sogar durch die Schule zugunsten der „sympathischen“ Buger bearbeitet werden. Hohe Protektion wurde nachgesucht und zugesichert. Der Gover- 1 nador und der Vizegovernador des Staates sind zu Ehrenpräsidenten der Liga gewählt worden, eine Reihe angesehener Männer ist im Vorstande vertreten. Der Urwaldsbote „Blumenau“ schreibt dazu mit vollem Recht: „Die Buger stören die Kolonisation und den Verkehr zwischen Hochland und Küste. Diese Störung muß beseitigt werden und zwar so schnell und gründlich wie möglich. Sentimentale Betrachtungen über die ungerechte Praxis der Buger- jagden, die den Grundsätzen der Moral widersprechen, sind hier ganz und gar nicht am Platze. Will man sich aber auf dieses Gebiet begeben, so liegt es unserm Empfinden näher, Mitleid mit den Opfern der Wilden zu bekunden, anstatt mit den Mördern zu sympathisieren. Ehe nicht für den Schutz der Kolonisten und Tropeiros, welche Werte schaffen und austauschen, hinreichend gesorgt ist — und davon sind wir noch weit entfernt — dürfte von einem Schutz der Buger, die nichts schaffen, sondern nur zerstören, gar nicht die Rede sein. Die vagabundierenden Stämme müssen durch ein großes Aufgebot von Bugerjägern und Waldläufern aufgehoben und so mit einem Schlage unschädlich gemacht worden. Der aufgehobene Stamm muß verpflanzt und unter strenger Bewachung interniert werden. Dann mag die Katechese beginnen, die vorher ziemlich aussichtlos ist, da die Wilden in freiem Zustande die friedliche Annäherung der Missionare kaum dulden werden.“ Diesen Vorschlägen muß man grundsätzlich beipflichten. Dazu kommt die Tatsache, daß die „gezähmten“ Indianer vermischt mit kultivierter Bevölkerung sich erst nach Jahrhunderten als erwünschter Bevölkerungszuwachs erwiesen haben. Dr. Hermann v. Jhering, der Direktor des staatlichen Museums in S. Paulo, äußert sich in seiner Schrift: „Die Anthropologie des Staates S. Paulo“ mit den