Die wichtigsten Kolonialprodukte und ihre Bedeutung für Mutterland und Weltmarkt.
Von Prof. Dr. Boigt. Hamburgisches Kolonialinstitut.
Während in den ersten Jahren des jungen Deutschen Reiches landwirtschaftliche Produkte deu Hauptgegenstand der Ausfuhr bildeten und die Erzeugnisse der ausländischen Industrie und Kolonialwaren im wesentlichen die Einfuhr ausmachten, hat sich dieses Bild mit der immer mächtigeren Entwicklung der deutschen Industrie und der intensiven Ausgestaltung der deutschen Landwirtschaft wesentlich verschoben. Heute steht die Judustrie mit ihren Fabrikaten in der Ausfuhr bei weitem an erster Stelle, und die Rohstoffe für dieselben bilden den wichtigsten Teil unserer Eiufuhr. Es sind also im Laufe dieser Entwicklung zu den eigentlichen Kolouialprodukteu der früheren Zeit die verschiedensten Rohstoffe für eine stetig wachsende und sich immer vielseitiger ausgestaltende Industrie hinzugekommen. Diese Verhältnisse mögen nachstehende Tabellen veranschaulichen. Es betrug in Milliarden Mark*):
-Einfuhr Ausfuhr
Vou 1885
1895
1905
1909
1912
1885
1895
1905
1909 1912
Rohstoff, der Industrie (einschließlich Halbfabrikate) 1,2V Fabrikate 0.83 Nahrungs-nnd Genußmittel 0,89
1,81 0,93 1,39
3,46 1,33 2,34
4,69 1,28 2,56
0,53 1,80 0,53
0,72 2,18 0,42
1,40 3,82 0,51
1,70 4,22 0,67
2,92
4,13
7,13
8,53
10.2
2,86
3,82
,5,73
6,59 8,3
Die Produktions- und Kulturgebiete der wichtigsten Nohstoffe-'und auch der meisten Nahrungs- und Genußmittel liegen in den tropischen und subtropischen Gebieten und sind oder waren Kolonialgebiete der europäischen Großmächte. Die wirtschaftlich günstigsten Verhältnisse für den modernen, europäischen Staat bestehen nun zweifellos, wenn der eigene Kolonialbesitz in der Lage ist, die wichtigsten Rohstoffe wenigstens zum größten Teile selbst zu produzieren. ? Die nachfolgende Betrachtung soll nun untersuchen, wie weit der junge deutsche Kolonialbesitz heute schou an der Lieferung von national-wichtigen Produkten für Deutschland>beteiligt ist, welche Erwartungen für die Zukunft hinsichtlich der Lieferung von Rohwaren für unsere Industrie berechtigt sind, und welche Möglichkeiten bestehen, ohne schädigende Konkurrenz unsere heimische Landwirtschaft zu stützen und zu fördern.
Das kolonialwirtschaftliche Komitee hat bis vor kurzem in dem alljährlich herausgegebenen Kolonialen Handelsadreßbuch eine sehr anschauliche Übersicht über die
*) Aus „Unsere Kolonialwirtschaft in ihrer Bedeutung für Industrie, Handel imd Landwirtschaft. Nach Zusammenstellungen des Kais. Statistischen Amtes herausgegeben vom Kolonial- M rtschaftlichen Komitee, Berlin 1910.'