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Deutschland als Kolonialmacht : Dreißig Jahre deutsche Kolonialgeschichte / Hrsg. vom Kaiser-Wilhelm-Dank Verein d. Soldatenfreunde
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Natur ist erst allmählich durch sogenannte Grenzexpeditionen erfolgt, wie solche neuerdings auch zur Ausführung des Abkommens über Äquatorialafrika entsandt worden sind. Da das jeweilig zur Verfügung stehende Kartenmaterial sehr un­genau war, ist die Aufgabe der Grenzexpeditionen zumeist eine sehr schwierige ge­wesen. Z. T. erwiesen sich die Grenzbestimmungen überhaupt nicht als durchführ­bar. Mehrsach stellte es sich auch heraus, daß Gebiete, die von einer der be­teiligten Mächte bereits in Besitz genommen waren, in Wirklichkeit der anderen gehörten, oder es erschien zweckmäßig, die Grenzen in einer mehr den natür­lichen Verhältnissen angepaßten Weise festzusetzen. So hat denn die Tätigkeit der Grenzexpeditionen zu einer ganzen Reihe von nachträglichen Grenzverein­barungen Anlaß gegeben. Eine solche ist z. B. am 11. August 1910 mit Belgien bezüglich der Nordwestecke Ostafrikas, der Gegend des Kivusees getroffen worden, wo Deutschland sich zur Überlassung der Insel Kwidjwi an die Kongokolonie genötigt sah.

Die für den heutigen kolonialen Besitzstand Deutschlands in Betracht kom­menden Verträge sind sämtlich, und zwar auch soweit darin eine Verpflichtung zur Aufgabe bereits unter deutsche Hoheit gestellter Gebiete vorgesehen war, nur auf Grund Kaiserlicher Genehmigung abgeschlossen worden. Da die dem Kaiser durch die Reichsverfassung erteilte Vollmacht zur völkerrechtlichen Vertretung des Reichs in Ansehung der Schutzgebiete nach keiner Richtung hin beschränkt war, ist diese Praxis auch durchaus eine gesetzliche gewesen. Erst neuerdings bei den Ver­handlungen über den Marokko-Kongo-Vertrag hat der Reichstag daran Anstoß ge­nommen. Da die Regierung das Verlangen des Reichstags nach einem Mitbe­stimmungsrecht bei erheblichen kolonialen Gebietsveründerungen als berechtigt an­erkannte, ist dem Schutzgebietsgesetz eine Vorschrift hinzugefügt worden, wonach es zum Erwerb und zur Abtretung eines Schutzgebiets oder von Teilen eines solchen eines Reichsgesetzes bedarf. Auf Grenzberichtigungen soll diese Bestimmung keine Anwendung finden, so daß Gebietsaustausche, die sich infolge von Grenzvermes­sungen als notwendig erweisen, nicht darunter fallen.

Die Rechtsstellung der Bevölkerung in den Schutzgebieten.

In den Schutzgebieten findet sich neben der eingewanderten weißen Bevölke­rung und einzelnen Weißen, die sich dort schon vor Begründung der deutschen Herrschaft als Handeltreibende, Farmer oder Missionare niedergelassen hatten, eine zahlreiche farbige Bevölkerung vor. Sie setzt sich aus den mannigfachsten Elementen zusammen. Den Hauptteil bilden alteingesessene Stämme, die ent­weder antochthon oder an die Stelle einer von ihnen verdrängten Urbevölkerung getreten sind, wie z. B. in den afrikanischen Kolonien Bantuneger, Sudanneger, Hamiten, Buschmänner, Damaras, Hottentotten, auf Kaiser-Wilhelmsland die Papuas, im Bismarckarchipel die Melanesier, in den Jnselgebieten von Neu­guinea die Mil'ronesier, ferner die Samoaner und in Kiautschou die Chinesen. Dazu treten Mischvölker wie die Suaheli in Ostafrika, Mischlingsstämme, die weißes Blut in sich haben, wie die Bastards in Deutsch-Südwestafrika, zahl­reiche einzelne Mischlinge und endlich zugewanderte Angehörige fremder farbi­ger Völker, wie Araber, Inder, Afghanen, Komorenser, Chinesen in der Südsee uud dergleichen mehr. So groß die Verschiedenheiten zwischen diesen einzelnen Bevölkerungselementen sind, so ist doch der Abstand noch größer, der sie, nament­lich soweit der Kulturstand in Betracht kommt, von der weißen Bevölkerung trennt. Hierauf mußte auch in rechtlicher Hinsicht Rücksicht genommen werden. Für eine rechtliche Gleichstellung mit der weißen Bevölkerung ist die farbige fast durchweg noch nicht reif. Überdies erscheint es im Interesse einer erfolgreichen und friedlichen Kolonisation nötig, ihre altangestammten Sitten und Rechtsan