Südamerika.
lW, Sievers, Südamerika und die deutschen Interessen. Stuttgart 1903. — P. Langhans, Karte der Verbreitung des Deutschtums in Süd- und Mittelamerika. 1 : 30000000 Mit 18 Nebenkarten: Deutsche Kolonien in Venezuela (Welser), Peru, Chile, Argentinien Paraguay, Brasilien, in: Deutsch. Kolonialatlas u. sevar. — Herm. Meyer, Die deutsche Auswanderung nach Südamerika, besonders nach Südbrasilien, in: Verhandlungen des Deutschen Kolonialkongresses 1902. Berlin 1903, S. 639—663.)
In Südamerika nimmt das Deutschtum eine ganz anders geartete Stellung ein als im Hauptgebiet Nordamerikas, Canada und den Vereinigten Staaten; denn während dort die herrschende Nationalität den einwandernden Deutschen gegenüber, deren Volkstum sie wie keine andere durch Gemeinschaft des Blutes und die Aehnlichkeit des Volkscharakters verwandt ist, eine mächtige Anziehungsund Aussaugungskrast zur Geltung bringt und auch der hohe Grad der Kultur auf eine Assimilierung fremder Elemente hindrängt, handelt es sich in den südamerikanischen Staaten durchweg um romanische Nationalitäten, und in dieser Umgebung pflegen die Deutschen um so dauerhafter ihr Volkstum zu bewahren, als diejenigen Bevölkerungsschichten, mit denen sie vorzugsweise in Berührung kommen, vielfach kulturell auf einer tieferen Stufe als sie selbst stehen.
Ueberhaupt aber ist es für die Betätigung des deutschen Elements von entscheidender Bedeutung, daß dieser Erdteil nicht der germanischen, sondern der romanischen Rasse zugefallen ist; die Nationalitäten, wie sie hier auf der Grundlage teilweise der portugiesischen, größtenteils aber der spanischen entstanden sind, haben nicht die Fähigkeit und Kraft besessen, Südamerika diejenige wirtschaftliche Entwicklung zu geben, wie sie die Gunst seiner natürlichen Lage und das vortreffliche Stromsystem, sein Erzreichtum und seine Fruchtbarkeit gestatten, so daß es heute noch an wirtschaftlicher Blüte hinter dem von der Natur viel ärmer ausgestatteten Australien, hinsichtlich seiner wissenschaftlichen Erforschung auch hinter Afrika zurücksteht. Um so größer ist der Spielraum, der den Germanen und insbesondere den Deutschen bei der Mitarbeit an der wirtschaftlichen Ausbeutung gelassen ist.
Die deutsche Einwanderung nach Südamerika hat freilich lange Zeit hindurch gestockt: nach dem starken Zuzug deutscher Auswanderer namentlich während der Reaktionszeit im Jahrzehnt nach 1848 wurde sie durch das v. d. Heydtsche Reskript auf fast 50 Jahre so gut wie lahmgelegt. Fast die gesamte deutsche Auswanderung richtete sich seitdem nach den Vereinigten Staaten, während Südamerika immer mehr in Vergessenheit geriet, und erst in allerjüngster Zeit haben nach der Auhebung jenes Reskripts die eifrigen Bestrebungen einiger Privatgesellschaften die Sachlage wieder geändert. Eine deutsche Kolonisation größeren Stiles ist bisher nur in Brasilien und Südchile, d. h. in den Gegenden mit gemäßigtem Klima, zustande gekommen. In den Ländern der tropischen Zone, im nördlichen Chile, in Bolivien, Ecuador, Columbien und den nrgentini-