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Bremer archäologische Blätter / Der Landesarchäologe
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Dieter Bischop

Erster Vorbericht über die Grabungen auf dem historischen Bremer Marktplatz 2002

Im 2. Weltkrieg erlitt der historische Bremer Marktplatz große Zerstörungen. Bis auf das Rat­haus und den Roland fiel die gesamte Randbe­bauung dem Bombenhagel zum Opfer. Der Schütting und die mit Bürgerhäusern bestande­ne Westseite des Marktes wurden nach dem Krieg rekonstruiert. Nicht wieder aufgebaut wur­de die Neue Börse an der östlichen Frontseite des Marktes. Sie war erst 1860 anstelle der ur­sprünglich mit stattlichen Giebelhäusern bebau­ten Westbegrenzung des so genannten Wilhadi- viertels erbaut worden. Statt der Börse wurde Anfang der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts die Bürgerschaft errichtet.

Eine einmalige Chance, die Geschichte des be­deutenden Platzes zu erforschen, bot im Früh­jahr 2002 die umfassende Sanierung des Markt­platzes, die ein Neuverlegen des Kanalsystems, neue Straßenbahnschienen und eine neue Pflas­terung beinhaltete (Abb. 1). Zwei lange Kanal- trassen entlang der West- und an der Nordseite des Marktes konnten jedoch nur baubegleitend unter größtem Zeitdruck archäologisch beob­achtet werden, wobei vor allem der nördliche Kanalgraben (Suchgraben II) wichtige Erkennt­nisse zum Aussehen des Gebietes in frühge­schichtlicher Zeit brachte. Mit ausschließlich ar­chäologischer Fragestellung wurden daraufhin zwei Suchschnitte vom Ostrand des zentral im Marktplatzbereich gelegenen Hanseatenkreu­zes bis zur Nordecke der Bremer Bürgerschaft angelegt (Abb. 2). Hier konnte die Marktplatz­grabung die spätmittelalterliche Eckbebauung, die mit dem Rathaus den Durchgang vom Markt zum Dom flankierte, nachweisen (Abb. 3). Das 1859 niedergerissene, nach der Ratsherrenfa­milie Baileer benannte Haus war eines der prächtigsten Gebäude, die Bremen überhaupt besessen hatte (STEIN, 258). Es ist auf mehre­ren frühneuzeitlichen Gemälden überliefert. Eine der ältesten Fotografien, die aus Bremen erhal­ten sind, zeigt genau dieses Haus, kurz vor sei­ner endgültigen Zerstörung. Es handelte sich um ein etwa 9,5 m breites spätgotisches Haus mit drei Geschossen und dreifach unterglieder­tem Dachgeschoss. Die Front war durch spitz- bogige Fenster und Blendnischen reich geglie­dert. Vom Aufgehenden des Hauses konnten nur noch spärliche, in das Kellergewölbe ge­stürzte Reste identifiziert werden. Dazu gehören

u. a. Reste von Formsteinen der Frontseite, ins­besondere Halbrundstabelemente der spitzbo- gigen Blendnischen. Von nachträglich im 17. Jh. an der Marktseite und an der Seite zum Gras­markt angebauten Utluchten stammten verzier­te Reste der Sandsteingewände (Abb. 4). In den letzten Jahrzehnten des Balleer'schen Hauses war im Erdgeschoss eine Weinschenke untergebracht. Zu dieser letzten Ausstattung gehören zahlreiche Fragmente von blau bemal­ten holländischen Fliesen des 18. Jhs. mit typi­schen Schäferszenen und Flusslandschaften. Beim Bau des Hauses hatte man eine alte, längs verlaufende und ursprünglich weit mehr als 1 m breite Findlingsmauer als mittleres Wi­derlager für zwei Tonnengewölbe genutzt. Der

Blick vom Bremer Dom nach Westen auf den Marktplatz im Sommer 2002. Zu sehen ist der Schnitt mit der spätmittelalterlichen Eckbebauung. Rechts das verhüllte Rathaus.

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