Veränderung des Stadtbildes seit 1860
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gemeinen Zeitung" erschien. „Die kleinen Giebelhäuser, aus denen anfangs fast der ganze Ort bestand, werden nicht nur nicht mehr gebaut, sondern sogar zum Teil wieder eingerissen, und mit bewundernswerter Schnelligkeit erhebt sich dafür ein hohes stattliches Gebäude neben dem anderen, besonders noch Norden zu, wohin sich der Ort am meisten ausdehnt." Wenn er aber weiterhin von dem bedauerlichen „Mangel an architektonischem Wert" spricht — freilich ohne viel darüber zu klagen, denn die Kunst sei nun einmal „eine Blume, die ebenso wenig im Kohlenrauche eines Fabrikortes als im Teergeruch einer Hafenstadt zu gedeihen scheint" —, so sind wir doch heute geneigt, zu finden, daß die schmucklose Nüchternheit der damaligen Zeit immer noch besser war und zumal in einer so neuen Hafenstadt viel stilvoller wirkt als das schäbige Protzentum, das mit dem zunehmenden Reichtum um 1890 und 1900 in Bremerhaven, wie anderwärts in Deutschland, beliebt wurde. Was wir auf den Bildern aus den 60 er und 70 er Jahren sehen oder an den noch stehenden Häusern aus jener Zeit, die ja vor allem zwischen Keil- und Lloydstraße noch ziemlich zahlreich sind, das erscheint uns, die wir die Kaiserstraße kennen, durchaus nicht so unsympathisch, wie Hermann Allmers es fand.
Aber auch dieser alte Friese ist bereits etwas angekränkelt von dem modernen „amerikanischen" Geist, der ihn, wie er mit ungewohnter Heftigkeit sagt, in Bremerhaven „bald genug auf das widerlichste berührt". Auch er hat bereits Sinn für das Großartige der technischen Anlagen am Hafen; er bewundert den großen Verkehr und das schnelle Wachstum der Stadt, und schon sieht er — 1857 — voraus, daß die Verbindung Bremerhavens und Lehes „durch eine einzige Häuserstraße nicht mehr ferne sein dürfte". In der Tat zeigen uns die Karten deutlich, wie nicht nur Lehe, sondern auch auf der anderen Seite Geestemünde-Geestendorf — die beiden Orte waren ja ursprünglich getrennt — allmählich an Bremerhaven, den Mittelpunkt, heranrücken. Auch ihre Einwohnerzahlen stiegen in dieser Zeit sehr rasch. Bremerhaven hatte zunächst das ältere Lehe — und ebenso Geestendorf — sehr bald, schon 1840, überholt. Damals hatten beide an 2000 Einwohner. Auch in den nächsten Jahrzehnten wuchs Bremerhaven noch rascher als Lehe. Aber wenn seine Bevölkerung 1875 das Sechsfache der Zahl von 1840, also 12 000, betrug, so hatte