offenkundige Versuch, eine Art Antihanse auf die Beine zu stellen, in der Schleswig seine alte, ihm von Lübeck streitig gemachte Stellung als wichtigster Umschlagplatz des Ost-West-Transits an der westlichen Ostseeküste zurückgewinnen sollte. Bei einem Erfolg dieses Unternehmens war die Herrschaft Lübecks im Ostseeraum ohne Frage massiv gefährdet. Es ist deshalb nur allzu verständlich, dass man an der Trave auf das dänische Ansinnen äußerst gereizt reagierte. Schon die Anbahnung der dänisch-westdeutschen Handelskontakte in der ersten Phase der dänischen Privilegienerteilungen in den 20er und 30er Jahren des 13. Jahrhunderts sorgte für Verstimmungen seitens Lübecks, und der dänische Freibrief für Soest von 1232 führte sogar zu jahrelangen Spannungen zwischen beiden Städten, die erst 1241 wieder behoben wurden. 195 Ein halbes Jahrhundert später kam es in der Norwegenkrise 1284/85 zum offenen Bruch zwischen Lübeck und Bremen, und auch die Spannungen, die diesem Bruch zugrunde lagen, wurden, wie gezeigt, durch die dänischen Offerten an Bremen vermutlich zusätzlich angeheizt. In Lübeck war man also gewarnt und man war sich offensichtlich im Klaren darüber, dass die Handelspolitik insbesondere der Schleswiger Herzöge in letzter Konseguenz das Ziel verfolgte, der ungeliebten, aber erfolgsverwöhnten Nebenbuhlerin an der Trave das Wasser abzugraben.
Letztendlich führten die antihansischen Bestrebungen Dänemarks und Bremens nicht zum Ziel, der geradlinig verlaufene Aufstieg Lübecks war schon zu weit fortgeschritten, als dass er sich noch hätte aufhalten lassen. Auch war die Zeit über die Eider-Treene-Schlei-Verbindung als Überbrückung des jüt- ländischen Sperriegels im Grunde genommen schon hinweggegangen - man denke nur an die immer größer werdenden und tiefer gehenden Koggen -, die Landverbindung Lübeck - Hamburg war auf Dauer gesehen leistungsfähiger und zukunftstauglicher. Aber allein die Tatsache, dass man sich in Bremen vorübergehend auf derartige Komplottpläne gegen die Hanse eingelassen hatte, hat man in Lübeck ganz gewiss als Ungeheuerlichkeit empfunden. Auch wenn die Einzelheiten jener Intrige im Laufe der Zeit naturgemäß verblassten und mehr und mehr in Vergessenheit gerieten, war die Vorstellung, dass Bremen ein potentieller Widersacher der Hanse sei, in den Köpfen zumindest der führenden Lübecker Ratsherrenschicht sicherlich fest verankert und wurde als tiefsitzendes Ressentiment von Generation zu Generation weitertradiert. Durch das konstant hansefeindliche Verhalten Bremens in Norwegen sah man sich in dieser Sichtweise zusätzlich bestätigt. Bremen galt in Lübeck, davon muss man wohl ausgehen, als unsicherer Kantonist, dem nicht recht über den Weg zu trauen war. Zwar haben sich die Beziehungen zwischen beiden Städten, wie es scheint, im Verlauf des 14. Jahrhunderts dann wieder halbwegs normalisiert. Als jedoch Ende der 50er Jahre auf einmal die Frage nach der Zuverlässigkeit und Hansetauglichkeit Bremens ventiliert wurde, da wurden die alten Ressentiments sicherlich aufs Neue reaktiviert und war dies Wasser auf die Mühlen derjenigen, die der Weserstadt ohnehin nicht recht über den Weg trauten. Dies mag der eigentliche Grund gewesen sein, weshalb man in Lübeck damals gegen eine Neujustierung des Verhältnisses
195 Vgl. H. J. Süberkrüp (wie Anm. 106), S. 30.
64