Pastor Rudolph Dulon.
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tat, was ihn seine Überzeugung hieß. War er zwar, gemessen auch nur an seinen bedeutenderen Zeit- und Gesinnungsgenossen, durchaus kein überragender Geist, sondern nur ein nie ausgegorener Schwärmer, war er auch kein selbstschöpferischer Denker, sondern ein Eklektiker, der sich aus fremden Fäden ein System zu spinnen versuchte, so gehört er doch zu den eigenartigsten Erscheinungen der Märzrevolution nicht nur in Bremen, sondern in ganz Deutschland. Deshalb zieht nicht bloß die Rolle, die er in den Parteikämpfen jener Tage bei uns spielte, den Blick aller Forscher, die sich mit der Geschichte der Bewegung von 1848 in Bremen befassen, auf ihn, sondern zumindest ebensosehr das Wesen dieses bei allen Schwächen eigenwertigen Mannes. Auch sind es keineswegs rein lokalgeschichtliche Neigungen, die dazu treiben, seinen Schicksalen und seinem Wirken genauer nachzuspüren, als es bisher geschah, denn einmal reichen seine politischen Beziehungen weit über Bremen hinaus bis in die deutsche Flüchtlingskolonie in London, zum andern aber ist sein Werdegang bezeichnend auch für das Werden anderer achtundvierziger Demokraten. Es spielte sich ab in der Zeit, da sich die religiösen, politischen und sozialen Anschauungen, von denen das deutsche Volksleben Jahrhunderte hindurch getragen worden war, innerhalb weiter Kreise zu zerlösen begannen, also in die Anfänge des Zersetzungs- und Gärungsprozesses, den wir heute erleben, und so bietet die Lebensgeschichte dieses Mannes überdies noch ein wohl nicht ganz bedeutungsloses Stückchen deutscher Geistesgeschichte.
Als Dulon sich in Bremen auf der Kanzel und am politischen Rednerpult am radikalsten gebärdete, veröffentlichten seine Gegner einige Predigten, die er vor Jahren gehalten hatte, um ihm vorzuwerfen, daß er einstmals das gerade Gegenteil von dem verkündigt habe, was er jetzt vertrat. Der so mit seinen eigenen Worten Angegriffene mochte sich drehen und wenden wie er wollte, den Vorwurf der Gesinnungsänderung zu widerlegen vermochte er nicht. Er hatte in der Tat als fast Vierzigjähriger eine wenn auch schon lange in ihm vorbereitete Wandlung erlebt.
Seine Anfänge waren durchaus nicht die eines religiösen und politischen Revolutionärs gewesen. Schon die Überlieferungen seiner Familie wiesen ihm einen ganz anderen Weg.
Seine Wiege stand in einem preußischen Beamtenhause, doch floß