Jahrgang 
Reihe A, 33. Band (1931)
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Friedrich Prüser.

ersten Blick annehmen möchte. Eine gute Anzahl dieser Urkunden berichtet zudem von der Errichtung von Altären und Vermächtnissen an sie und die an ihnen tätigen Vikare, berührt also einen Kreis, der weniger das Kapitel als Ganzes oder die Gemeinschaft der Chorherren angeht als vielmehr das später zu behandelnde Vikariat. Hier vor allem treten als fromme Stifter die begüterten Bürgerkreise auf, die wir auch sonst in diesen Zeiten eine Rolle in der Stadt spielen sehen, die von Lünne, von der Vechta, von Borken, die Gröning und die Oldewagen, unter ihnen auch wohlhabende Witwen, wie Gertrud Haverbecker, Swaneke Kaie und Gertrud Rode, die auf diese Weise das Andenken ihres verstorbenen Mannes feiern wollen. In der Hauptsache dürfte es sich hier, wie in einzelnen Fällen auch nachgewiesen werden kann, um Pfarrgenossen von Anschari handeln. Aber auch der einfachere Bürger, der nicht die Mittel hatte, Altäre und Vikariate zu stiften, wollte sein Andenken in der Kirche gewahrt wissen. So überwies er ihr ein be­stimmtes Gut an Land oder Geld und bekam dafür zugesichert, daß seiner alljährlich an seinem Todestage in einer besonderen gottesdienst­lichen Feier gedacht werde. Solcher Memorienstiftungen, auf die wir vereinzelt schon früher hinweisen konnten, gab es etliche Hunderte, und zu einem großen Teil waren es Bürger, die sie unserm Kapitel ver­machten. Bei weitem nicht von allen gibt es urkundliche Belege, von vielen wissen wir nur aus dem Kalendarium der Regula oder aus andern Listen. Aber auch bei ihnen wird Art und Zweck der Stiftung so gewesen sein, wie wir es aus den erhaltenen Urkunden ablesen können.

Mcmoricnstiftunficn Diese Memorien waren in der bremischen Kirche das, was anderen- und Consolahonen. aucn wo hl Anniversarium heißt, feierliche Gottesdienste und nicht nur eine Erwähnung im Tagesgebet 1 ). Sie waren als Stiftung an die Kirche ein gutes Werk und halfen damit nach mittelalterlicher Auf­fassung den Lebenden in der Stunde ihres Todes, den Verstorbenen aber sollten sie eine starke Hilfe im Jenseits sein 2 ). In diesen Zwecken, die aus der Todesfurcht und dem heißen Verlangen des mittelalterlichen Menschen nach der Seligkeit zu erklären sind, berühren sich die Me-

<) Vgl. Katz a. a. 0., S. 73; Goens a. a. O., S. 58 f.

2 ) Die Memorien wurden stets mit einer Messe gefeiert, haben die besondere Stärke der Votivmessen, sind gewissermaßen fortgesetzte Seelen­messen und bringen wie diese ihre besonderen Früchte, die im besonderen in der Hilfe für die abgeschiedenen Seelen bestehen. Vgl. Franz a. a. 0., S. 6t ff., 115 ff., 218 ff., 243 ff.