Jahrgang 
Band 92 (2013)
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Frauenarbeit im Schiffbau - Schweißerinnen auf dem Bremer Vulkan

Von Renate Meyer-Braun

Vorbemerkung

Hintergrund dieses Beitrages ist meine Mitarbeit an einem in den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts von der VW-Stiftung geförderten Forschungs­projekt, das den Vergleich zweier Arbeitermilieus in Ost- und Westdeutschland in den 1950er Jahren zum Thema hatte. Untersuchungsfelder waren die Ar­beitswelt und das außerbetriebliche Milieu zweier ehemaliger Großwerften, der Neptunwerft in Rostock und der A.G. »Weser« in Bremen. 1 Im Laufe der Arbeit an diesem Projekt wurden zahlreiche lebensgeschichtliche Interviews erhoben. In zwei Fällen traf ich auf Interviewpartnerinnen, die früher auf der A.G. »Weser« als Schweißerinnen gearbeitet hatten. Bis dahin hatte ich von der Existenz weiblicher Schweißer nichts gewusst. Meine Neugierde war ge­weckt, ich wollte mehr über Frauen wissen, die in derart männlich dominierten Berufen gearbeitet hatten. Also suchte und fand ich nach Abschluss des Pro­jekts ehemalige Schweißerinnen, die auf der anderen Bremer Großwerft, dem Bremer Vulkan, tätig gewesen und zu einem Interview bereit waren. Es handelt sich um zehn Frauen, sechs deutsche und vier türkischstämmige. Der vorlie­gende Aufsatz basiert also nicht auf einer systematischen Erhebung auf breiter Datenbasis und seine Aussagen erheben deswegen auch keinen Anspruch auf Repräsentativität. Dennoch bietet er am Beispiel der Einzelschicksale dieser Frauen höchst interessante Einblicke in ihren Alltag in einer ungewöhnlichen - und heute bereits so nicht mehr vorhandenen - Arbeitsumgebung.

Schiffstaufe einmal anders

»Sie selbst will es kaum glauben und ihre Kolleginnen haben noch Zweifel«, heißt es im Weser-Kurier vom 27. Juli 1983 in einem Artikel auf der Lokalseite. Das, worauf sich diese Zweifel beziehen, war in der Tat etwas bisher nie Da­gewesenes: »Am 9. August soll die 43 Jahre alte Schweißerin Elvira Viercke an ihrem Arbeitsplatz beim Bremer >Vulkan< ein Schiff taufen«, heißt es wei­ter in dem Artikel. Als diese Nachricht sich auf der Werft herumgesprochen hatte, war sie natürlich Gesprächsthema Nummer 1. »Aber nicht nur, dass die Wahl auf die seit 13 Jahren auf der Vulkan-Werft arbeitende Frau gefallen war,

1 Die Forschungsergebnisse sind veröffentlicht in: Peter Alheit / Hanna Haack / Heinz-Gerd Hofschen/Renate Meyer-Braun, Gebrochene Modernisierung - Der langsame Wandel proletarischer Milieus. Eine empirische Vergleichsstudie ost- und westdeutscher Arbeitermilieus in den 1950er Jahren, 2 Bde. Bremen 1999.

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