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zelne Höft mit ihren rothen Ziegeldächern und farbigen Giebeln aus den umgebenden Saatfeldern und Blüthengärten freundlich einladend hervor; nirgend wehrt ein Hügel, nirgend eine Waldung dem Blicke den vollen Reiz der üppigen Gegend; nur als Einfassung des offenen Gemäldes erheben sich von der einen Seite die fürstlichen Mauern und Thürme der Marienburg und weiterhin die waldigen Uferhöhen des Nogatstromes, auf der anderen Seite die blaudämmernden Hügel der Danziger Höhe, die in Dirschauö Thürmen ihren Schlnßpunkt findet.
Doch weniger lachend ist der Anblick, wenn man die Werder selbst durchwandert. Dann gewähren sie trotz ihres Reichthums in der Vegetation nur das Bild einer ermüdend großen Einförmigkeit. Zwischen abgestutzten Weiden aus einer der vielfach sich kreuzenden Landstraßen wandernd klagt der ermattete Wanderer über Mangel an Schatten und steht sich vergebens nach einem gastlich erquickenden Laubdache um. Dabei ermüdet das Auge durch den Anblick eines ewigen Einerlei. Ein Dorf sieht dem andern zum Verwechseln ähnlich. Das ganze Land ist durch Gräben wie in Tafeln getheilt, und zwischen diesen führen die mit Weiden bepflanzten Wege, welche einander so ähnlich sehen, daß nur ein des Landes Kundiger vor dem Verirren sicher ist. Wer eine Meile weit gefahren, kennt das ganze Werder. Der üppige Boden besteht durchweg aus einer überaus setten lehmigen Erde, hier Pech geheißen, ein Product der Ueberschlickung durch die Weichsel und sie kann dem Reisenden überaus fatal werden: denn schon bei geringem Regen wird der Boden schlüpfrig wie Seife; regnet es aber stärker, so werden sämmtliche Landstraßen und Fußsteige total unpassirbar; man kann dann kaum von einen Hause zum andern, ohne zu versinken; denn da es auf dem ganzeu Werderdelta keinen Stein gibt, es sei denn ein hergebrachter, fo ist von Steinpflaster fast nirgend die Rede, selbst in den Dörfern nicht. -
Aus eben dem Grunde hat auch selten eine Chaussee dem Staate soviel Geld gekostet, als die durch das Werder von Danzig bis Elbing.
Die Fruchtbarkeit der Werder ist unglaublich. Der Boden gibt die Aussaat oft funfzehnfach zurück. Der Hauptanbau geschieht in Weizen, Raps und Gerste. Jede wilde Pflanze nimmt hier einen andern Charakter an und oft erkennt man an den Wegen und Gräben die Pflanzen gar nicht wieder, welche man kurz zuvor auf der Höhe gesehen hat. Auch sind die Wiesen von so excellenter Güte, daß eine weidende Kuh nicht.selten 28--30 Quart Milch gibt, die aber freilich nicht so schmackhaft ist, als die von GebirgShöhen.
Dieser fettlehmige Boden erschwert aber den Landbau nicht wenig. Es gehört ein starkes Gespann und ein tüchtiger Pflug dazu, um ihn gehörig zu bearbeiten. Auch gehört viel Aufmerksamkeit dazu, die rechte Zeit zur Be- ackcrung zu treffen, weil der Boden bei feuchter Witterung leicht morastig wird,