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in neuester Zeit ein hiesiges Blatt die Initialen der Glücklichen und ihre Adressen veröffentlicht. Nun sage noch einer, daß die Journalistik keinen praktischen Nutzen schaffe!
Ucbrigens hatte die letztverflossene Woche für uns noch ein locaies Interesse durch das Gebnrtsfest zweier in Wien so allgemein bekannter Persönlichkeiten, wie Saphir uud Meister Anscbütz, von denen der erstere am 8, d. M. seinen sechzigsten, der letztere an demselben Tage seinen siebzigsten Geburtstag feierte. Anschütz beging den Tag im engeren Familien- und Freundeskreise. Die oberste Thcaterdircction hatte ibm einen schönen silbernen Becher mit einer anerkennenden Inschrift übcrschickt. Möge er ihn noch recht lange leeren, der jugendliche Greis, der uns noch immer den Wein der Poesie zu kredenzen versteht, dessen Organ noch den Klang der Jugend, und dessen Dcclamation den unvergänglichen Reiz klarsten Verständnisses besitzt.
Znr Feier von Saphirs Geburtstag hatte ein Freundescomit^ eine Art Akademie in der Wohnung des Gefeierten arrangirt, in der künstlerische Notabilitäten wie die Seebach, Hebbel, Wilhelmine Clauß, Licbhard, eiu Lome, Beckmann, Rott, Sieger u. s. w. > mitwirkten. K. Hirsch, Deinhardstein Castelli u. m. a. hatten Gelegenheitsvcrsc geschrieben, Kapellmeister Franz v. Siipp«: hatte sie componirt. Den Schluß der Akademie machte eine humoristische Vorlesung Saphirs selbst über „das sechzigste Jahr, die Polizeistunde im Wirthshause des Gebens". Daß der Akademie Souper und Ball folgen, versteht sich von selbst, und es war nicht ohne Interesse, die ewig junge, noch immer reizende Fanny Elßler eine.Quadrille gehen, oder Melpomene Seebach eine Polka rasen zu sehen. Es war vier Uhr Morgens, als Ihr Korrespondent — und zwar nicht als der letzte Gast — den Salon verließ. ,
Auch das Theater macht dem Fasching seine Concessionen. So brachte gestern das Burgtheater zwei kleine einactige Carnevalsnvvitäten. „Eine Partie Piqnet" und „die Blutrache", beide aus dem Französischen. Das erstere bringt ein gewagtes Motiv — die Narkotisirung auf die Bühne, ist aber mit solcher Feinheit, mit solcher anmuthigeu Leichtigkeit gemacht, daß das Experiment glückte, wozu jedenfalls das vortreffliche Spiel Löwes und Nußbcrgers uud Fränlein Hartmanns, dieser hübschen nnd talentvollen Darstellerin naiver Rollen, viel beitrug. Das zweite Stück von etwas grobkörniger Art ruht auf den Schultern Meixners, der immer vortrefflich ist, wenn ihn der Dichter in Angst und Verlegenheit versetzt. Und Angst uud Verlegenheit hat dieser arme Pariser Apothekergehilfe, der auf Besuch iu seine corfische Heimat kommt, und seine etwas uugenirtcn Pariser Manieren mitbringt, genug auszustehen. Das Publicum ging in die Carnevals- stimmung dieser anspruchslosen Bluette, der aus dem Theaterzettel der bescheidene Titel Posse beigelegt war, ein, und nahm dieselbe, sowie die erste, bedeutendere Novität: „Eine Partie Piqnet" aus das freundlichste aus. Der Hof war wie fast bei jeder ersten Vorstellung zngegen. Wer alle neuen Vorstellungen besucht, der hat jedoch soviel Langweile zu ertragen, daß ein amüsanter Abend die Rechnung nicht ausgleicht. ' Da haben sie neulich im Opcrn- theater — die Götter mögen es ihnen gnädig verzeihen, wir Menschen können eS nicht — ein Ballet gegeben, welches Don Qnixote heißt. Ohne übertriebene