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ehestens ein entscheidender Schlag fallen. Der talentvollste unter den zarischen Heerführern, General Osten-Sacken, habe die Leitung dieser Operativ» übernommen.
Der britische Gesandte Lord Redcliffe gibt heute ein großes Diner, vornehmlich dem türkischen Ministerium zu Ehreu. Wie ich höre wird das gauze diplomatische Corps demselben beiwohnen. Am Abend ist Ball. — Die Witterung ist milder geworden; einzelne heftige Windstöße verkünden, daß dcrPoiras") aus dem Pontus regiert, und nicht selten lausen entmastete Fahrzeuge in den Bosporus ein. Die Theuerung steigt.
--26. Januar. — Heute beim Erwachen begrüßte mich durch die Spalten
der Jalousien hindurch schou am frühen Morgen ein Heller, glitzernder Sonnenstrahl. Zum ersten Mal nach einer langen Reihe von Tagen war die Sonne über einem heiteren, wolkenleeren Himmel aufgegangen. Die Uhr wies sieben Uhr und zwanzig Minuten. Im weiten Thalc des Bosporus lagen noch die Nebelbänke übereinander aufgeschichtet, aber die Fläche der Marmorasee war schon frei und reflectirte das Tageslicht in breiten, leuchtende» Streifen. Ich beschloß, zum Gestade an der Meerenge halb hinunterzugehen, nm die herrliche Frühstunde auf jenem reizend gelegenen Höhenhangc dicht über Dolina Bagdsche 'zuzubringen. Es ist dies einer der schönsten Punkte, die ich hier kenne. Reiche Türken haben das schon vor vielen Jahren zn würdigen gewußt uud in einer Frontlinie, welche die reichste nnd weiteste Aussicht bietet, große zwei- und dreistöckige Kvnacks ausgeführt. Eine Ausnahme von der Regel liegen in denselben die Frauengemächer mit ihren, den äußeren forschenden Blicken sorgsam entzogenen Fenstern nach der Straßenseite zu, d. h. dem Meere entgegengewendet.
Von meiner Wohnung aus habe ich zu der betreffenden Stelle zehn vder zwölf Minuten zu gehen. Ich benutze dabei den letzten Theil der großen Straße, welche die süßen Gewässer mit dem Bosporus und zwar rückwärts von den diesseitigen, nordöstlich vom goldnen Horn gelegenen Vorstädten verbindet. Im Sommer ist diese Fahrstraße, welche in einer vielleicht nicht mehr sehr fernen Zukunft ihrer ganzen Ausdehnung nach mit Häusern besetzt sein wird, während jetzt nur einzelne Gehöfte daran stoßen, eine der besten, die man hier hat; aber in der gegenwärtigen Jahreszeit hat man einigermaßen Schwierigkeit, sie zu passireu. Auch das wird anders werden. Die Jahre sind gezählt, wo den einfachen Landweg ein wohlchaussirtcr Fahrdamm und gleichzeitig vielleicht eine daneben parallellaufende Eisenbahn ersetzen wird. Im Gegensatz zu anderen Hauptstädten eutbchrt Konstaütinopel in commnnicativcr Hinsicht der großen, vermittelnden Linien. Es gibt hier keine Quais, wie leicht auch ein solcher anzulegen sein würde, der das ganze Stambuler Dreieck ans seinen beiden Wasscrsciten umfassen könnte; man entbehrt noch einer Straße, die auch nur zum achten Theil so breit uud in gerader Linie fortliefe wie die Linden in Berlin oder eine Rne nnd ein Street erster Elasse in Paris und London; endlich fehlt es gänzlich an einem Verbindungswege, etwa im Sinne der, Bvnlevards, um die Peripherie der Riesenstadt zu durchmcsscn. In der Zeit, von der ich rede, wird die große Straßcnlinie von Dvlma Bagdsche zu den süßen Gewässern gewissermaßen in diese letztere Stelle eintreten. Im Anschluß an dieselbe wird es alsdann nur eines
*) Der häusigste Wind.
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