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Briefe aus Kvnstautmopel.
8. November.
--Seit Abgang meines letzten Briefes sind wiederum kleinere französische Verstärkungscorps zu Schiffe hier nach der Krim durchgegangen. Dieselben werden im Hasen von Chersvnes ausgeschifft. Der Verlust, welchen die verbündeten Heere durch Krankheiten erleiden, ist immer noch groß. Von den Genesenen wird aus den hiesigen Spitälern nur ein Theil nach dem Kriegsschauplatz zurückgesendet; ein andrer kehrt zu den Depots der betreffenden Truppentheile in der Heimat zurück.
Von der Donau verlautet, daß die Stellung Omer Paschas mehr und mehr unsicher werde. Man bezeichnet den östreichischen Einfluß als denjenigen, welcher dem Feldherrn nicht wohlwollte; außerdem arbeiten hier mehre höchste Würdenträger von ehemals und jetzt au seinem Sturz. Am meisten Feind scheint ihm Mehemed Ruschdi Pascha zu sein, derselbe, welcher lange Zeit hindurch dem Kriegsministerium vorstand und hernach Minister ohne Portefeuille im Ministerium Mustafa Paschas (einer Null, hinter der die doppelte Inspiration Mehemed Alis und Neschid Paschas stand), wurde. Möglich, daß Mehemed Ruschdi nach der Würde eines Serdar Ekrem trachtet; daß er sie erhält, ist deßungeachtet sehr unwahrscheinlich. Wenn Sie mir gestatten wollen, eine Vermuthung auszusprechen, die noch wenig Halt in sich hat und vorerst lediglich auf der Combination einiger Umstände beruht, so möchte ich dem Ach- med Pascha, welcher zur Zeit das Gardecorpö commandirt, eintretendenfalls Omer Paschas Nachfolge prophczeihen. Er ist zwar noch nicht Muschir, steht aber im Begriff, es zu werden; seine Erziehung erhielt er in Wien und erstand sich allezeit gut mit den Vertretern Oestreichs, mochten sie Konsuln oder Jnter- nuntien sein. Behalten Sie diesen Mann im Auge; über seine Eigenschaften erlaube ich mir noch kein Urtheil; aber er scheint mir aus dem Punkte zu stehen, in die Bahn einer großen Rolle einzutreten.
Es ist schwer, schon jetzt zu sagen, welche Folgen ein Wechsel im Oberbefehl der osmanischen Donauarmee mit sich bringen würde. Wenn einige behaupten wollen, daß dieselbe sodann eine Gesammtverwendung in der Krim finden werde, so halte ich solche Ansicht sür mindestens noch etwas frühreif. Meine Argumentation für ihr Verbleiben in der Walachei steht aber sozusagen auf zwei Beinen: tritt Oestreich dem Bündniß der Westmächte mit der Türkei bei und bricht es definitiv mit Nußland, so wird es sich nicht gern einer Hilfsmacht, wie die türkische Donauarmee sie ist, beraubt wissen wollen, die ihm manche nützliche Dienste erweisen kann; geschieht das dagegen nicht, so würde es un- rathsam sein, die osmanische Waffenmacht im Norden des Balkan noch mehr