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und dadurch die ursprüngliche kräftig jugendliche Färbung in ein düstres Grau verwandelt.
Der Verfasser hat sich nun die Aufgabe gesetzt, soviel es durch Divination, durch Gefühl des Zweckmäßigen und Unzweckmäßigen möglich ist, die ursprüngliche Gestalt des Gedichts wiederherzustellen. Er ist sich sehr wohl bewußt, daß eine spätere wissenschaftliche Kritik vielleicht zu ganz andern Resultaten kommen wird, wenn er auch hofft, daß sie ihm in vielen Punkten Recht geben wird. Ihm kam es vor allem aber darauf an, dem deutscheu Publicum ein Gedicht herzustellen, welches in Beziehung auf die Begebenheiten wie auf die zu Grunde gelegte Weltanschauung ein harmonisches Ganze bilden sollte. Er hat nichts von eigner Erfindung hinzugethan, sondern sich so getreu als möglich an die indischen Vorstellungen zu halten gesucht, und auch wo er der Verknüpfung .wegen einen Nebenumstand erfinden mußte, überall eine bestimmte indische Ueberlieferung zu Rathe gezogen.
Diese Aufgabe ist ihm vollkommen gelungen. Das Gedicht, „die Kuruinge", in welchem die Hauptbegebenheil der Mahabharata behandelt wird, ist ein in sich zusammenhängendes, geschlvsseües Gedicht, welches uns in den blühendsten und kräftigsten Farben ein wildbewegtes Heldcnzeitalter darstellt und in vieler Beziehung mit uusern Nibelungen verglichen werden kann. Ein ruhmvolles Königsgeschlecht fällt durch eigne Schuld in schmählichen Untergang. Die einzelnen Helden sind in sehr bestimmten und leicht erkennbaren Umrissen gezeichnet; die Bewegung ist frei und eigenthümlich, und eine lebendige Spannung fesselt uns vom Anfang bis zum Ende. Die Schlachtengemälde sind mit einer großen sinnlichen Wahrheit wiedergegeben, und so, daß sie trotz der Verschiedenartigkeit der indischen Cultur von der unsngen uns grade so lebendig werden, wie die griechischen Heldensagen vom Trojanerkrieg und die deutschen von der Völkerwanderung. Freilich hat bei der Darstellung von Heldenthaten jedes Volk eine eigne Weise zu übertreiben, und die eine Knnstfertigkeit im Kriegshandwerk, die unzählige Male vorkommt, wird alle deutschen Leser vor den Kopf stoßen. Wenn nämlich ein Held aus einen geschickten Bogenschützen eine Lanze wirft, so schießt sie dieser im Fluge mit einer Reihe von Pfeilen in Stücke, einmal sogar in els Stücke. Alle Achtung vor den indischen Jongleurs, aber diese Kunstfertigkeit tritt doch aus dem Bereich der sinnlichen Wahrheit heraus. — Dies ist. aber auch der einzige fremdartige Zug; im übrigen handeln, empfinden und denken die Helden der indischen Sage grade wie die Helden aller übrigen Völker von primitiver Rücksichtslosigkeit, und das Sittengesetz, das selbst den Bösen als Regel vorschwebt, steht uns sogar viel näher, als das Homerische. So können wir dieses Gedicht als eine wirkliche und bedeutende Bereicherung der auch für uns gewonnenen Weltliteratur begrüßen.