51S
denden Zustand, in dem seine Gesundheit seit längerer Zeit ist, nur gelitten haben. Befremdend ist es, daß Lord Russell diese Gelegenheit benutzt hat, um den Vorsitz im Geheimen Rath zu übernehmen, und Lord Granville aus dem Amte verdrängt, das letzterer mit besonderer Fähigkeit verwaltet hat. Lord Russell ist Dissenter, und die bischöfliche Kirche wird die Leitung des gcsammten Erziehungswesens nicht gern in der Haud eines Staatsmannes sehen, der Vorsitzender des vornehmsten und thätigsten Misfionsvcreins der Dissenter ist. Lord Granville behält zwar seinen Sitz im Cabiuct^ muß sich aber mit dem fast nur nominellen Amte des Kanzlers sür das Herzogthum Lancaster begnügen, wo ihm wieder eine der jungen Kräfte des Ministeriums, Strutt, Platz machen wird, um ganz ins Privatleben zurückzutreten. Diese Veräudcrungcn sind nicht geeignet, dem Cabinet mehr Kraft und Ansehen zu verleihen, nnd sind Symptome, daß der alte ausschließliche whiggistische Parteigeist, den man durch die Koalition mit den Pcelitcn begraben glaubte, wieder im Ausleben begriffen ist. Die Whigs aber siud abgenutzt in den Augeu des Volks, da sie ihre Aufmerksamkeit und Thätigkeit zu ausschließM der Frage um die Verkeilung der Politischen Gewalt unter die verschiedenen Volksclasscn zuwende», und darüber Zeit nnd Geschick zu der Lösung der wichtigen Fragen praktischer Politik verlieren, in denen Peel und seine .Nachfolger und Schüler sich so ausgezeichnet, bewährt haben. Das Theorctisircn um die Einrichtung der Versassuugsmaschineric erachtet ein großer Theil des englischen Volkes für unnütz, wünscht aber, daß die Lcituug derselben in kräftigen und einsichtigen Händen sei, während es jetzt steht, wie die jüngeren und frischeren Kräfte verdrängt werden, um Männern Platz zu machen-, deren frühere große Verdienste unleugbar siud, die aber der bereits erlangte Ruhm, wie die Erfahrung lehrt, nur zu sehr geneigt- macht, aus ihreu Lorbeeren zu ruhen.
Aus Berlin, 19. Juni/ In Bezug auf Angelegenheiten, die in zweiter Linie stehen, ist auf dem Cougreß zu Tctschen eine Einigung Preußens und Oestreichs herbeigeführt worden. Dahingehört die Bambergcr Couscreiiz, deren Beschlüsse in Wien sehr übel vermerkt worden sind. Oestreich hat zwar früher mit dieser Koalition coopcrirt, sie aber stets nur als Werkzeug für seine Pläne betrachtet und benutzt, und ist nun höchlich indignirt, da das Instrument gegen den Willen des Meisters eine eigne Rolle spielen will. Das Urtheil der preußischen Regierung über den Sondcrbuud ist uicht so schroff, da zwischen den Grundsätzen unsrer officiellen Politik nnd den Tendenzen der Bambergcr nur ein scheinbarer Gegensatz extstirt, während steh unsre wirkliche Politik, wie ans dem Auftreten der Kreuzzeitung erhellt, mit dem Geiste der Conferenzbeschlüsse in der schönsten. Harmonie befindet. Dennoch ist in Tetschcn ein Actenstück redigirt worden, welches die Bedingungen der Bambergcr zurückweist uud ihre Tendenzen mißbilligt. Dieses Circular soll den betreffenden Regierungen mitgetheilt werden.
Als viel schwieriger hat sich die'Herbeiführung eines Einverständnisses in Bezug auf die russische Frage gezeigt. Hier hielt Preuße», noch immer an seinen Friedenshoffnungcn fest, die natürlich' durch ein actives Auftreten Oestreichs in der vcrhängnißvollstcn Weise durchkreuzt werden müßte». Prenßcn ist der Meinung, daß ldie Fricdcnsaussichtcn ohne Frage einen festen Boden gewinne» werden, sobald es gelingt, während -des Sommers eine weitere Ausdehnung des Conflicts zu ver-
63*