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miteinander in der christlichen Tugend. Von einem einheitlichen Fortgang der Intrigue ist keine Rede.
Weniger auffallend ist es, daß Kotzebue einmal auch wernerisrrte. Denn abgesehen von der Mystik des letztern waren beide Dichter Geistesverwandte und es war nur Consequenz von Kotzebue, der kein Mittel des Effects, welches ihm durch die wechselnden Neigungen, des Publicums dargeboten wurde, verschmähte, daß er auch dem Geschmack der Mystik seinen Tribut abtrug. Bei alledem nimmt sich die dramatische Legende „der Schutzgeist" höchst verwundersam. Das Vorspiel zeigt uns ein Ehepaar, welches' klagend am Leichnam eines Knaben sitzt, der eben vom Blitz erschlagen ist. Plötzlich erhebt sich dieser Knabe, breitet die Arme gen Himmel aus und erklärt in sehr mystischen Redensarten, daß er ein Engel sei, durch Gottes Gnade in diesen Körper gekleidet, um der italienischen Königin Adelheid zu Hilfe zu kommen, die von dem lasterhaften Usurpator Berengar verfolgt werde. Er macht höchst merkwürdige Bemerkungen, über das Land der schwülen Träume, über das Licht, das Element der Geister, über die Allmacht u. s. w. und entschwebt dann im schnellen Fluge seinen anbetenden Eltern, um zunächst als Edelknabe der Königin zu „erscheinen". Er „erscheint" noch in verschiedenen Gestalten und thut zu Gunsten der verfolgten Adelheid verschiedene Wunder, aber niemals, ohne vorher im brünstigen Gebet von Gott die Erlaubniß dazu zu erflehen. Es ist merkwürdig, wie der alte Sünder die. Macht des Glaubens predigt. Nebenbei erscheinen die verschiedenen Personen einander mehrmals im Traume. Auch der Geist des ermordeten Königs Lothar tritt auf, theils mit theils ohne Visrr. Zuletzt will der besiegte Berengar, der als Bettler um das unvermeidliche All- mosen bittet, der Adelheid den Dolch ins Herz stoßen. Der Schutzgeist sängt den Stoß auf, der Dolch bleibt stecken, ein Donnerschlag ertönt, der Schutzgeist steht plötzlich schneeweiß da, schleudert ihm den. Dolch vor die Füße, die Wunde blutet, Berengar von Grausen ergriffen blasphemirt entsetzlich, der Schutzgeist folgt ihm, wie er herumwankt, stets mit abgemessenen Schritten und sieht ihn starr an, bis Berengar zur Hölle taumelt. Dann sinkt der Schutzgeist sanft am Grabe nieder, vermählt Adelheid mit dem Kaiser Otto, die ausgebreiteten Arme sinken, das Haupt neigt sich aus die Brust, er — stirbt. Otto und Adelheid, sich umarmt haltend, sinken vor ihm nieder. Das Grabmal wird plötzlich sanft erleuchtet, Trompeten und Pauken hinter der Scene — der Vorhang fällt. — Nun würde es freilich eine schwer zu beantwortende Frage sein, wie der liebe Gott eigentlich dazu veranlaßt wird, zu Gunsten einer Person, von der wir nichts Bestimmtes erfahren, eine solche Reihe unerhörter Wunder zu thun, da er seinen Zweck mit viel einfacheren Mitteln hätte erreichen können. Aber eine hübsche Schauspielerin in verschiedenen Verkleidungen und zum Schluß in transparenten Engelscostüm, die immer die Blicke gen Himmel hebt,