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Erinnerungen an Kotzebue : 1761 bis 1819.
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leider alle von rationalistischem Scheidewasser zersetzt; die Wunder sind keine wirklichen Wunder, die Priesterschaft keine wirkliche Priesterschaft u. s. w., im Grunde ist der Unterschied nicht so groß. Es ist unaussprechlich komisch, wie in einem dieser Spectakelstücke, in welchem ein großartiger Aufwand von Feuer- und Wasserproben, unterirdischen Gesängnissen, Versenkungen, Amazonen und Vermummten u. s. w, angewandt werden, der Maschinist, der nur seinen Schwiegersohn hat prüfen wollen, zuletzt sogar die Kosten seiner Maschinerie beschreibt. Bei diesen Kosten muß man übrigens, die damalige Theaterein­richtung in Anschlag bringen, die im Schauspiel noch viel naiver war, während die Oper mit einem sehr bedeutenden Prunk ausgestattet wurde. Denn Kotzebues Stücke empfahlen sich unter anderm auch dadurch, daß sie leicht zu geben waren, obgleich er Donner und Blitz, Dolch und Schwert, Vermummungen und dergleichen nicht spart. Er wetteifert darin mit jedem Melodramendichter und hat die Errungenschaften der Krästperiode, die Zeiten derRäuber" und desFiesco" wol zu benutzen verstanden.

Wir haben Kotzebue als eifrigen Anhänger der classischen Schule verfolgt; wir finden ihn -am Ende seiner Wirksamkeit auch als Romantiker. Sehr merk­würdig ist darin das DramaGisela." Es ist so viel Genoveva und Tieck überhaupt darin, als ein routinirter Schauspieldichter nur irgend über sich ge­winnen kann. Das Stück fängt.mit einer Betrachtung über die Blumen an:

'--Der Blume Dust ist ihre Klage,

Ihre Sehnsucht nach dem hellen Tage: Weinend muß der Mvrgen sie begrüßen, ' Dcun der Strahl der Sonne nur ' , Kaun den Thau von ihren Blättern küssen.

. Die Ritter ziehen ganz gegen die Kotzebuesche Artträumend durch die fin­stern Wälder", sie küssen den Ort, der durch den Fuß ihrer Geliebten geheiligt ist, kurz sie benehmen sich mit einer Courtoisie gegen die Damen, an die man bei den Gurlis und dch andern Kotzebueschen Prinzessinnen durchaus nicht ge­wohnt ist. Sie tragen sich mit Gedanken über die Mystik des Lebens, und wenn sie in Leidenschaft gerathen, so> drücken sie sich poetisch aus: sie fühlen, daß Wellen und Flammen über ihnen zusammenschlagen. > Gisela selbst ist zwar zum Theil eine Kotzebuesche deutsche Hausfrau, aber auch etwas Genoveva. Sie unterhält sich beim Spinnrad mit ihren Mägden im altdeutschen Ton über vaterländische Sagen und Geschichten, sie ist sromm und sittsam und'hat nie­mals die Gedanken einer Nähmamsell. Noch mehr aber zeigt sich der Tiecksche Einfluß in der vollständig verwirrten Komposition, der bei einem so routinirten Fabrikanten höchst seltsam auffällt. Gisela ist die Gemahlin Konrad des Saliers, der eben zum deutschen Kaiser gewählt wird, sie wird zugleich von seinem Vetter, dem jüngcrn Konrad, geliebt und diese drei Personen wetteifern