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S. 33 und a. O. die Behauptung aufstellt: „Wie im Glauben, so gilt anch in der Kunst der Hanptgrnndsatz: alles ist löblich, sobald eö in der heiligen Schrift begründet ist und begründet werden kann", so verräth das wol kein großes Verständniß der Kunst. Denn wenn auch der christliche Kirchenbau auf jene Symbolik gegründet ist, so hat er derselben doch durch ihre Uebertraguug in die Formen des Schonen und Zweckmäßigen erst die künstlerische Berechtigung gegeben. Hin nnd wieder hat er ein dunkles Gefühl davon, aber in der Regel nimmt er keinen Anstand, durch die allerunsiunigsteu Couseqnenzen jenes Grundsatzes der Kuust ius Gesicht zu schlagen. So spricht er sich z> B. einmal über die Vvr- trefflichkeit der Märtyrerbilder ans (S. -129). „Der heilige Diouysius wurde enthauptet, daher stellt ihn die Kunst dar, wie er sein Hanpt oder auch die durchgesägte Stirn auf der Haud trägt. Kluge Zeitgenossen machen Witze auf solche Darstellungen, nervenschwache Knnstcmpsindler studen sie unschön; allein der christliche Geist war anders und es konnte ihm natürlich nicht einfallen, welche klngen rückenmarksdürreu Enkel nach vielen Jahrhunderten folgen würden, die vor keinem Nackten sich entsetzen, aber wahrscheinlich vor einer heiligen Agathe mit der Brust iu der Schüssel in Ohnmacht fallen würden." Ob die sämmtlichen rückenmarksdürreu Enkel vor dergleichen scheußlichen Schindangerbildcrn in Ohnmacht fallen würden, ist uns »»bekannt, daß sie sich aber mit Ekel davon abwenden, daö scheint uns eine Veredlung unsrer Empfindung uud Sittlichkeit auszudrücken. Eö war nicht grade das kräftigste nnd das sittlichste Zeitalter des alten Rom, das sich an den Gladiatorenspicleu weidete. — Ans ganz ähnlichen Principien beruht die Dednctivn S. 103, wo gegen die Abbildung des Nackten geeifert wird. „Nackt werden gewöhnlich Adam und Eva gebildet, aber ohne Nabel uud Gcschlechtstheile, einestheils wegen ihres außergewöhnlichen Ursprunges, anderntheils offenbar ans Gründen der Züchtigkeit; denn wir sind uicht mehr im Paradiese, wo die Voreltern sich nackt sahen aber dennoch nicht verwirrt wurden. Unsern Voreltern diente die Kunst zur Belehrung und Heiligung uud sie kauutcn uoch noch nicht das neuere K»»stgeschwätz, das von richtig gegliederter Zeichnung spricht, aber Erregung der Sinnlichkeit meint." Uns scheint aber diese Sittlichkeit und Neligiösität, die vor jedem richtig gezeichneten Körper i» Brnnst geräth, nicht bcsonvers stark zu sein. Bei Mönchen, die ihre Natur unterdrücken und sich beständig casteicn, sind solche Hallucinationen wol begreiflich, der gesunde Mensch aber hat das Feigenblatt nicht nöthig. — In einen sehr spaßhaften Conflict kommt aber Herr'Kreuser mit sich selbst, wenn die christlichen Bilder, die er feiert, seinem eignen Princip zu widersprechen scheinen. So z. B. S. 199, wo er den Straßbnrgcr Predigtstnhl beschreibt: „Was befinden sich für Bilder am Treppengeländer? Allerlei Zerrgestaltcn, uuter andern aber ein Mönch z» Füßen einer Nonne, der er ohne Scheu den Nock aufhebt. Dieses Bild, das der feiuc» Welt jetzt eine Ohnmacht zuziehen würde, wurde unter den Augen des keuschcu Geiler und gewiß nicht ohne sein und der