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Neue Romane.
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Neue Romane

Der grüne Heinrich, Noman von Gottfried Keller, i Bände. Braun­schweig, Vicweg.

Auf den ersten Blick steht imin, daß man es nicht mit einem gewöhnlichen Romanschriftsteller zu thnn hat. Ans dem Umschlag erfahren wir, daß der Ver­fasser früher als lyrischer Dichter aufgetreten ist. Ju der epischen Dichtung scheint dieses Buch, nach der Vorrede, der erste Versuch zu sei». Es ist also zu hoffen, daß die Fehler, die wir in demselben nachzuweisen halieu, uoch nicht zur Manier verhärtet sind.

Als Vorzüge treten zwei sehr deutlich hervor. Zunächst eine feine, gebildete, zuweilen überraschend wahre Reflexion, ein Sprühfeuer von Einfällen, die auf individnelle Begebenheiten bezogen, doch überall in bleibende allgemein­menschliche Maximen sich zn verwandeln streben; sodann eine große Macht der > Phantasie in der Schilderung einzelner ans das Gemüthöleben, namentlich aber aus die Sinnlichkeit bezüglicher Scenen. In den verschiedeneu Liebesverhältnissen, in die wir den Helden im Lauf des Romans verwickelt sehen, ergebe» sich eine Reihe einzelner Gemälde, welche die poetische Empfindung und das poetische Auge des Dichters außer Zweifel stellen.

Allein auch diese Vorzüge erscheinen nicht in einer ganz reinen Form. Was zunächst die Reflexion betrifft, so drängt sich der lyrische Dichter uoch zn sehr vor. Ueberall sucht er die Empfindung uud Betrachtung des einzelnen Moments zu fixiren uud denkt nicht daran, daß diese Momente in der epischen Poesie nur dazu dienen können, die Begebenheiten uud die Charaktere deutlich zu machen. So werden wir gleich zu Anfang des Romans, wo der junge Held sich auf die Wanderschaft begibt, mit einer so großen Fülle geistreicher Bemerkungen des Ver­sassers über das, was er darstellt, und des Helden über das, was er in Beziehung ans verschiedene Gegenstäude denkt nnd empfindet, überschüttet, daß unsere Auf­merksamkeit zerstreut wird, und daß uns die Gestalten, die wir sucheu, in ganz, Greuzboteii. I- -I8öi. 6-1