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Wochenbericht.
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führenden Parteien vorschlagen, diese Forderungen schließlich anerkennen wird, ist eine anderc Frage. Daß die Basis siir ihre Verhandlungen aber in einer Weise festgestellt ist, daß sie dieselben anerkennen kann, erlaubt dem Kaiser von Rußland >in ihre Beschickung zu willigen. Allerdings ist die Spannung im übrigen bis auf den Punkt gediehen, wo bis zum Krieg uur noch ein halber Schritt ist und Rußland durch das Einlaufe» der Flotten unter das Gewicht einer wenigstens scheinbaren Drohung gestellt.

Die zweite Kammer ist in der Berathung der höchst wichtigen Vorlage, betreffend die Errichtung eines Competenzgcrichtshofcs zur Entscheidung über die Verfolgungen gegen Beamte, begriffen, deren nähere Besprechung ich für meinen nächsten Brief aus­spare. Hier nur die Erwähnung, daß der frühere Redacteur der Kreuzzeituug, Herr Wagener, seit kurzem bekanntlich Abgeordneter, bei der allgemeinen Debatte über den Entwurf seiner muKIn-spec^I, gehalten hat, ohne daß Grund zu der Hoffnung vor­läge, die Liste der parlamentarischen Illustrationen dnrch ihn bereichert zu sehn. Ich muß bei dieser Gelegenheit erwähnen, daß gut unterrichtete Leute auf das bestimmteste behaupten, Herr Wagener habe aus Anlaß seiner Begnadigung, der seine Ernennung zum Nechtsanwalt beim Obcrtribunal unmittelbar folgte, sich dazu verstanden, einen Brief an Herrn Bloch zuschreiben, der diesem die Zusichcrung ertheile, daß Herr Wa­gener ihn stets seiner vollsten Achtung werth gehalten, eine Zusicherung, die mit der hartnäckigen, jahrelangen, man dars sagen bösartigen Verfolgung dieses von Herrn Wagencr stets hochgeachteten Mannes in einem seltsamen Contrast steht, und in ein be­sonderes Licht dadurch fällt, daß sie erst ausgesprochen wnrde, als Herr Wagencr sich dnrch richterliches Erkenntniß zu mehrmonatlichcm Gefängniß verurtheilt sah! Ist diese allgemein verbreitete und -geglaubte Nachricht falsch, so wäre es sür denBannerträger der Ritterschaft" rathsam, ihr ein öffentliches Dementi zu geben, das ich vom Stand­punkt der menschlichen Würde aus mit Vergnügen in diesen Blättern registrircn würde. Ein anderer Bannerträger der Rechten, der Nundschauer, sieht sich von Eventualitäten bedroht, deren Folgen Herr Wagencr durch die caudinischcn Pässe jenes sich selbst ge­gebenen Dementis entschlüpft sein soll. Beide Nummern der Kreuzzeituug (vom 3. und 4. Jan.), welche die jetzt vierteljährige Nnudschau enthalten, sind consiscirt und nur die eine davon wieder freigegeben worden. Man nennt als Grnnd Angriffe auf die badischc Regierung iu der Freibnrgischcn Angelegenheit. Uebrigcnö würde Herr von Gerlach nicht übel an seinem Platze sein, als Märtyrer der katholischen Kirche.

Auswärtige Literatur. Die Revue de deux Mondes enthält eine lcsenswcrthe Studie von Gustave Planche über die gesammelten Schriften von Victor Cousin. Es ist namentlich seit Heine Sitte geworden, aus dieseu Philo­sophen, bei dem wir freilich nicht grade au das erinnert werden, was wir in Deutsch­land Philosophie nennen, mit großer Geringschätzung herabzusehen, obgleich er sich doch um die Einführung des deutschen Geistes in die französische Literatur ein sehr großes Verdienst erworben hat. Daß er sich nicht an eins der herrschenden Systeme angeschlossen hat und daß sein Eklekticismus die unvcrkcnubarsteu Spuren dilettantischer Arbeit an sich trägt, mag ihm derjenige verargen, der nnscrcr systematischen Methode zu philo- söphirc» einen realen Werth beilegt. Für uns ist es wichtiger, daß die Franzosen an Liberalität im Denken gcwöhnt und, mit den Ncsultatcn unserer deutschen Speculation bekannt gemacht werden. Grade die gewandte belletristische Form, deren sich Cousin