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Die Gemütsverfassung des Kaisers schildert diese Caricatur ganz vortrefflich. Er kämpft mit den Interessen des Handels und den Interessen seiner eigenen Aufrechterhaltung, welche eine so gänzliche Verkennung der Aufgabe Frankreichs und der Pflichten des Namens, dem allein er das heute noch räthselhafte Gelingen seiner Pläne verdankt, nicht verträgt. Man glaube darum nicht, daß dieser Kamps etwa blos von der Uncntschlossenheit des Mannes geboten sei, er ist ein politischer, conscquenter, überaus rationeller. Louis Napoleon, hat die gemeinste Seite der modernen Civilisation, wie sie infolge der an und für sich nothwendigen organischen Revolutionen des neunzehnten Jahrhunderts, welche Staat und Gesellschaft durchgemacht, ausgebildet ist, zur Grundlage seines Regiercns gemacht. Er braucht den Frieden um in der allgemeinen Erschlaffung und geistigen Sklaverei allen Ehrgeiz und alle Thätigkeit vollends dcu materiellen Interessen zuzuwenden. Durch den immerwährenden Drang, durch den fortwährenden Zufluß muß diese unmögliche Situation im Schwünge gehalten werden. Wie ein Knabe ein Glas Wasser im Innern eines Reifes nur durch gleichmäßigen Schwung des Reifes vor dem Fall bewahrt, so geht es auch Louis Napoleon. Er ist, das Glas Wasser auf dem Reifen und die Börse mit allem, was dazu gehört, ist der Reis. Es gehört aber ein ganz ungewöhnlicher Muth und auch überlegene Geisteskraft dazu, ein ganzes System, über Nacht umzustürzen, denn daß mit dem Sturze eine neue Aera in der Negierung des Kaisers.eintrete, wird niemand abreden. Die Unschlüssigkeit des Kaisers zwischen Perstgny und Fould ist daher keine zufällige, durch den Charakter des Kaisers hervorgerufene. Perstgny und Fould sind in diesem Augenblicke die Vertreter zweier Elementargewalten, obgleich ihre Persönlichkeiten kaum, die Ehre eines solchen Ausdrucks verdienen. Darum haben wir auch bis zur Kriegserklärung von Seiten der Türkei nur an die Aufrechterhaltung des Friedens geglaubt, weil dieser im augenscheinlichen Interesse aller bestehenden Regierungen ist, wenn sie ihre Eigenheiten nicht aufgeben sollen. Diese Kriegserklärung ist die Permanenzcrklärung der toreo clvs cl>o8e» gewesen, die der französische Mvnireur zwar spät, aber endlich doch als vorhanden anerkannt. Der Kaiser von Nußland ist von vornherein getäuscht worden, seine Stellung war lange compromittirt, allein die Fehler des Westens haben ihm erlaubt, seine eigenen mehr als gut zu machen und er steht jetzt da, als hätte er den ganzen Streit von Anfang her um eines Princips willen ins Leben gerufen. Dies ist aber keineswegs der Fall.' Ursprünglich handelte es sich gewiß blos um eine jener Bravaden, welche die russische Politik in Zeiten des Friedens gern versucht, um im Osten einen Schritt vorwärts zu thun, eine Zeile tiefer in Peters Testament hinabzukommen. Ein energischeres Ministerium in London, und die Börsen von Europa wären heute ruhig, der Courszettel von Paris wäre um ein Stück länger geworden durch die vielen Specula- tionen, welche der orientalische Zwiespalt aufzukommen verhinderte. In dieser anscheinenden Zufälligkeit liegt das Großartige der Ereignisse, die sich vorbereiten, sie allein drückt das Weltgeistige ihres Wesens aus. Guizot hat daher nicht ganz ohne Unrecht, wenngleich mit viel Bosheit, gesagt, daß noch niemals Dummköpfe so große Ereignisse herbeigeführt haben werden. ES ist aber das Messer eines Kindes, das eine unsichtbare Hand führt. Mit dem was hier gesagt worden, ist das Benehmen des Kaisers vollkommen erklärt. Persönlich und als Repräsentant des zweiten Decembers beweint er die Nothwendigkeit des Krieges, er trauert vielleicht sogar darüber, daß nicht der Kaiser von Rußland sein Alliirter geworden, statt England, aber er kann sich nicht helfen und
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